Beobachtungstipp im April 2006

Die Astronomen haben es nicht leicht. Eigentlich hört sich die Sache gar nicht so schlimm an. In den letzten 50 Jahren wurde das Urknallmodell für die Entstehung des Universums immer populärer. Kein anderes Modell passte so zu den Beobachtungen und Vorstellungen der Wissenschaftler.

Die Kernaussage ist die, dass das Universum aus einem Urkeim explosionsartig entstand und seit dem einer ewigen Expansion unterliegt. Die „Explosion“ fand nicht irgendwo statt, sondern es ist der Raum selbst, der explodierte und somit auch expandiert. Genau genommen leben wir immernoch in dieser Explosion, auch wenn die Temperatur des Universums auf -271° Celsius abgekühlt ist.

Die Idee des Urknalls wurde geboren, als der beobachtende Astronom Edwin P. Hubble in den 20'er Jahren des letzten Jahrhunderts feststellte, dass die Galaxien offensichtlich vor uns flüchten. Je weiter eine Galaxie von uns entfernt erschien, desto größer war die beobachtete Fluchtgeschwindigkeit. Dieser Umstand lässt sich durch ein expandierendes Universum erklären.

Oft wird die Expansion mit dem Aufblasen eines Luftballons verglichen. Malt man Punkte auf den Ballon, so wird der Abstand zwischen den Punkten bei weiterem Aufblasen größer. Und je weiter zwei Punkte zu Beginn von einander entfernt waren, desto mehr werden sie beim Aufblasen des Ballons auseinander getrieben. - Es ist so einfach. - Um das Alter des Universums zu bestimmen, muss man die Größe der Expansion ermitteln. Das bedeutet, man misst die Expansionsgeschwindigkeit einer entfernten Galaxie und bestimmt gleichzeitig ihre Entfernung.

Während die Fluchtgeschwindigkeit mittels Spektroskopie, also der Bestimmung der Rotverschiebung der Spektrallinien, noch recht leicht zu ermitteln ist, führt die Messung der Entfernung der Galaxien doch zu großen Problemen. Bei nahen Galaxien ist es möglich die Bestimmung der Entfernung durch die Beobachtung hellerer veränderlicher Sterne, Cepheidensterne genannt, zu bestimmen.

Fernere Galaxien können mit mäßiger Genauigkeit durch Beobachtung von Supernovae Typ Ia untersucht werden. Die Galaxienentfernungen können auch abgeschätzt werden, wenn man die scheinbare Helligkeit mit der vermuteten Helligkeit vergleicht. Die Helligkeit der Galaxien kann man durch die vermutete Masse, die wiederum mit der Rotation der Galaxie korreliert, abgeschätzt werden.

Das hört sich erstmal komplizierter an als es ist. Jedenfalls konnten die Wissenschaftler die Expansionsgeschwindigkeit des Universums auf 50 bis 100 km/s pro Megaparsec festlegen. (Ein Megaparsec sind 3,26 Mio. Lichtjahre). Würde die Polizei die Geschwindigkeit der Fahrzeuge so genau messen, so wären die Verkehrsgerichte stark überlastet.

Doch auch, wenn man die Entfernung und die Geschwindigkeit von Galaxien gut bestimmen könnte, gibt es da noch ein Problem. Die Galaxien sind nicht gleichmäßig im Raum verteilt, sondern halten sich in Gruppierungen, so genannten Galaxienhaufen auf. Und wie ein Mückenschwarm bewegen sich die Galaxien innerhalb des Haufens umeinander, auf einander zu oder voneinander weg. Die Eigengeschwindigkeiten verhindern einen Kollaps der Galaxienhaufen und machen zu dem den Astrophysikern das Leben schwer. Bei der Bestimmung der Geschwindigkeit einer Galaxie kann man die Eigengeschwindigkeiten nicht von der Expansionsgeschwindigkeit unterscheiden. Es ist wie bei einem Mückenschwarm, der vom Wind fort getragen wird. Betrachtet man eine einzige Mücke, kann man nicht sagen, welcher Teil ihrer Geschwindigkeit vom Wind beeinflusst ist und welcher Anteil ihre Flugbewegung innerhalb des Schwarms annimmt.

So ergeht es den Astronomen bei der Beobachtung von Galaxien in Galaxienhaufen. Unsere Milchstrasse zum Beispiel wird gemeinsam mit den anderen Galaxien der lokalen Gruppe, zu der auch der Andromedanebel zählt, vom Virgo-Galaxienhaufen angezogen. Der Virgohaufen ist ein Galaxienhaufen, der etwa 2.500 Mitglieder zählt. Diese geballte Masse sorgt dafür, dass unsere Milchstraße mit 250 km/s in Richtung des Haufens gezogen wird. Es liegen noch weitere Galaxienhaufen in dieser Richtung, so dass man sogar von einem Superhaufen spricht, dessen Durchmesser über 150 Mio. Lichtjahre umfasst. Der Virgohaufen selbst besitzt einen Durchmesser von 30 Mio. Lichtjahren und ist gute 70 Mio. Lichtjahre von der Josef-Bresser-Sternwarte entfernt. In solchen Galaxienhaufen sind die Eigengeschwindigkeiten der Galaxien oftmals größer, als die Fluchtgeschwindigkeit, die durch die Expansion des Universums initiiert wird. Wobei man eigentlich nicht von einer Fluchtgeschwindigkeit sprechen kann. Die Galaxien treiben im Raum, der expandiert.

Um die Expansion des Raumes zu messen, müssen die Astronomen ein Bild von der räumlichen Verteilung der Galaxien, also der Struktur, des Universums bekommen. Das macht die Angelegenheit nicht leichter. Mittlerweile geht man von einer "Hubble-Konstanten", die als Maß der Expansion gilt, von 74 km/s pro Megaparsec aus. Das Universum hätte somit ein Alter von 13,7 Milliarden Jahren.

Wir Hobbyastronomen können dazu sicherlich kaum einen Beitrag leisten. Trotzdem ist es uns möglich in diesen Wochen den tiefen Blick in den Galaxienhaufen der Jungfrau zu werfen. 16 der helleren Mitglieder sind Messierobjekte, die den einfachen Amateurgeräten leicht zugänglich sind.

Beim "Spazierensehen" findet man unzählige Nebelfusselchen, jedes Einzelne eine eigene Galaxie mit Milliarden von Sternen. Im Herzen des Haufens befinden sich einige große elliptische Galaxien M84, M86 und M87. Messier 87 ist das größte Mitglied des Virgohaufens. Im Zentrum der Galaxie befindet sich ein massives Schwarzes Loch, in das Materie einfällt. Wie ein riesiger Strudel läuft das Gas in den kosmischen Abfluss ab. Die Astronomen nennen das "Akkretion". Dabei wird ein starkes Magnetfeld erzeugt, das einen 4.000 Lichtjahre langen Jet in den Raum schießen lässt. Das Schwarze Loch ist ein riesiger kosmischer Dynamo, dessen elektrische Energie sogar den Amateurastronomen zugänglich ist, zumindest fotografisch.

Der Virgohaufen bietet den Amateurastronomen nicht nur einen beeindruckenden Anblick, sondern auch die Möglichkeit ganz tief ins Universum zu schauen. Die Profiastronomen träumen hingegen von noch größeren Galaxienhaufen, wie den "Großen Attraktor" oder die "Große Mauer".

Gesehen haben sie diese aber auch noch nicht!

Clear Skies,
Christian Overhaus

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