Beobachtungstipp im Dezember 2008

Der euphorische Monatsbericht im Himmelsjahr 2009 zum Thema "Jahr der Astronomie" sind Anlass für die folgenden Gedanken gewesen, die hier in Form des Beobachtungstipps niedergeschrieben wurden.

Welchen Stellenwert hat die Astronomie in der Gesellschaft? Das Jahr 2009 wurde von der UNESCO zum Jahr der Astronomie gekürt. Mit viel Euphorie wird in der astronomischen Gemeinde die Werbetrommel gerührt. Sicherlich wird es viele Aktionen geben, die von astronomischen Vereinigungen betreut werden. Viele Menschen werden die Gelegenheit bekommen, ihren Blick nach oben zu richten und etwas über die kosmische Heimat zu erfahren. Doch trotz aller Euphorie stellt sich die Frage, was am Ende bleibt. Das Jahr der Mathematik geht vorüber. Das Jahr der Geowissenschaften liegt schon einige Jahre zurück. Trotzdem scheint dem Normalbürger das Verständnis naturwissenschaftlicher Zusammenhänge so fern zu sein, wie der Mars dem Pluto. Wir sollten die Wirkung dieser "Jahre" nicht überschätzen und Wunder erwarten. Dennoch möchte ich nicht entmutigend wirken und ein kleines Plädoyer für die Astronomie halten.

Die Astronomie war in der Vergangenheit von großer Bedeutung. Die Himmelsbeobachtung half den Menschen bei der Erstellung von Kalendern und der Bestimmung der Zeit. Zivilisiertes Leben, Landwirtschaft, Kultur und Wissenschaft waren ohne Kenntnis der himmlischen Erscheinungen kaum denkbar. Somit haben wir der Astronomie viel zu verdanken. Heute muss niemand mehr zum Himmel schauen, um zu wissen, wie spät es ist oder ob der Weihnachtsmann morgen vor der Tür steht. Uhren und Terminkalender diktieren heute die Zeit. Die Einteilung des Jahres in 12 Monate und der Zeit in 24 Stundentagen fundieren noch auf die Zeitsysteme der Alten. Das scheint aber schon alles zu sein.

Nur wenige Menschen wissen, dass die irdischen Uhren oft der natürlichen Uhr angepasst werden. Würde man keine Korrekturen durchführen, so gäbe es auf lange Zeit gesehen Verschiebungen, die größere Korrekturen erforderlich machen würden. Trotzdem berührt die eine oder andere Schaltsekunde das Leben der meisten Mitmenschen kaum.

Kann eine moderne Gesellschaft ohne Sterne leben? Offensichtlich schon. In den Industriestaaten und zunehmend in den Entwicklungsländern weicht der Sternenhimmel den Licht- und Dunstglocken der Metropole. In Westeuropa können die wenigsten Menschen noch die Milchstrasse sehen. Menschen in Ballungsräumen sehen überhaupt keine Sterne mehr. Wir wenden uns dem Sternehimmel ab.

Der Fokus der Gesellschaft ist auf wirtschaftliche Interessen gestellt. Wenn wir heute von der Globalisierung sprechen, so reden wir nicht davon, ein Verständnis für globale Zusammenhänge zu gewinnen, sondern eigentlich nur davon, wie man wo, welche Güter herstellt und vermarkten kann. Ein Markt mit einer Milliarde Menschen ist halt weitaus interessanter als eine Galaxie mit 100 Milliarden Sternen. Das ist eigentlich verständlich. Die Menschen sind uns näher.

Der Motor der Globalisierung ist der Markt. Ihn zu bedienen verschlingt wertvolle Ressourcen und belastet das ökologische Gleichgewicht. Die Wissenschaftler warnen seit Jahren vor den Gefahren des Klimawandels, der durch den Einsatz fossiler Brennstoffe angetrieben wird. Der Klimawandel wird in den nächsten Jahrzehnten viel menschliches Leid hervorrufen. Menschen werden durch Extremwetterlagen obdachlos, Trockenheit und Dürre führen zu Missernten. Doch auch Starkregenereignisse können der Landwirtschaft zusetzen. Damit wird die globale Gesellschaft an die Grenzen ihres Wachstums gebracht.

Das Verständnis der globalen Zusammenhänge verdanken wir den Wissenschaftlern, für die die Welt nicht eine unerschöpfliche, unendlich belastbare Einrichtung ist. Die Erde muss als Planet verstanden werden, der in einem komplexen Universum entstanden ist und auch kosmischen Einflüssen unterliegt. Ein solches Verständnis setzt das Erforschen des Weltalls voraus.

Die Menschen sind leider noch nicht soweit. Im Gegenteil. Die eisfreie Nordwestpassage und Nordostpassage am Nordpol der Erde weckt Begehrlichkeiten, vermutet man doch riesige Vorkommen an fossilen Energieträgern am Grunde des Polarmeeres. So ist der Unvernunft freie Bahn gegeben. Von Klimaschutz keine Spur. Kurzfristig betrachtet ist ein Wachstum der Wirtschaft und die damit verbundenen Möglichkeiten ein Segen für die menschliche Gesellschaft. Doch langfristig scheint dieses System dem Kollaps geweiht, da es den Begriff Nachhaltigkeit nur als Werbeslogan kennt - mit dem Überschalljet zum Klimakongress...

Es ist nicht nur die Weltpolitik, die diese Schieflage unterstützt. Der Gedanke "Global denken und lokal handeln" scheint absurd, wenn wir die Situation in unserem Land betrachten. Bereits 20% der Fläche NRWs ist versiegelt und unter Beton begraben. Ein Großteil der Restfläche wird intensiv landwirtschaftlich genutzt. Natürliche Lebensräume nehmen kaum zusammenhängend nur einen kleinen Teil der Fläche ein. Trotzdem werden immer neue Baugebiete und Gewerbegebiete erschlossen. Gleichzeitig "kämpfen" wir gegen die Zerstörung der Regenwälder Brasiliens. Wir selber haben ja auch keine mehr!

Wir erleben eine Gesellschaft, die ihre Umwelt in nie erreichter Tiefe erforschen kann. Doch reagiert sie nicht auf das erworbene Wissen. Wir handeln sogar wider besseren Wissens. Oder Nichtwissens. Die Gesellschaft ohne Sterne weiß nicht viel von der Komplexität ihres Lebensraumes und von der Empfindlichkeit des ökologischen Systems. Ihr Denken ist nicht kosmisch geprägt und der Begriff Nachhaltigkeit hilft nicht mal mehr der folgenden Generation. In den Wirtschaftssystemen steht Wachstum, nicht mal mehr der Mensch, im Mittelpunkt - vom Kosmos ganz zu schweigen.

Die Gesellschaft ohne Sterne ist nicht überlebensfähig. Sie entwickelt keine Strategie, die begrenzten Ressourcen der Planeten vernünftig zu nutzen und die Ökosphäre, die wie ein dünner Film unseren Heimatplaneten umgibt, zu schützen. Sie erkennen die Grenzen nicht.

Das Jahr der Astronomie steht unter dem Motto "Entdecke das Universum, du lebst darin!" Ein sehr schöner Slogan, wie ich finde. Menschen, die sich ihrer kosmischen Heimat bewusst sind, werden ihr Handeln und ihre Entscheidungen eher an größeren Dingen orientieren als an kurzzeitige Erfolge.

Das Jahr der Astronomie könnte ein Beginn sein, den Samen für ein gesellschaftliches Umdenken zu sähen. Denn nur die Astronomie bietet die Möglichkeit, die Erde als kleines blaues Juwel im großen Kosmos zu begreifen.

Zum Schluss noch einige große Worte des Astronomen Bürgels:

Schaut nur immer auf zu den Sternen, vor allem ihr Jungen, ihr Werdenden, und füllt den Geist und Herz mit ihrem magischen Glanz, ihrem ewigen Geheimnis; reich werden sie euch beschenken! Glaubt nicht den Stumpfen, den Sachlich-Kühlen, die euch zu rufen: "Was gehen uns die fernen Sterne an?!"

Unendlich viel gehen sie uns an, jedenfalls viel mehr als die erschütternde Tatsache, dass irgendein Zeitgenosse den Kilometer 2,3 Sekunden schneller durchraste als ein anderer, und dass jener nunmehr die Weltmeisterschaft im Boxen errang. – Großes geht von den Sternen aus, sie führen uns zum Wissen über die Welt, zu einer Weltanschauung, sie heben uns empor über den Alltag, sie belehren uns über die Stellung des Menschen im Weltganzen, sie führen uns zu einer vertieften Betrachtung aller Erscheinungen der Natur und des Lebens, machen uns frei von engstirniger, kleinlicher Gesinnung.

In diesem Sinne,
Christian Overhaus

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