Beobachtungstipp im April 2009

Frühlingszeit - Galaxienzeit... zumindest für die Astronomen. Zu keiner anderen Zeit zeigen sich so viele Galaxien, die selbst mit kleinen Geräten gesehen werden können. Das Sternbild Jungfrau wartet mit dem Virgohaufen auf den Hobbysterngucker. Aber auch der Coma-Haufen im Haar der Berenike und die vielen Galaxien um die Jagdhunde und den Großen Bären können optimal beobachtet werden. Die schönen dunkeln Frühlingsnächte laden förmlich zu einer Reise in den tiefen Weltraum ein, denn die Galaxien sind nicht nur einige hundert oder tausend Lichtjahre entfernt. In der Regel sind es zig Millionen Jahre, die das Licht der fernen Welteninseln benötigt, um zum Auge des Betrachters zu gelangen. Oftmals sind es nur kleine diffuse Nebelfleckchen ohne Struktur, die dort gesichtet werden. Man muss sich damit zufrieden geben, wirklich altes Licht gesehen zu haben. Manchmal zeigen sich sogar Strukturen wie Staubbänder oder helle Knoten. Nicht selten stehen Galaxien zu kleinen Gruppen zusammen. Manchmal scheinen die Galaxien sogar ineinander zu verlaufen.

Galaxienverschmelzung in der Whirlpool-Galaxie M51
Galaxienverschmelzung in der Whirlpool-Galaxie M51

Bei einigen Galaxien gibt es hieb- und stichfeste Beweise für eine Verbindung der Galaxien. Auf lang belichteten Aufnahmen kann man eine deutliche Materiebrücke zwischen den Galaxien erkennen. Bei derartigen Galaxien strömt Gas von der einen Galaxie zur anderen Galaxie, die in der Regel massereicher ist.

Galaxien sind offensichtlich keine Einzelgänger, sondern halten sich gern in Gemeinschaften auf. Seltener, aber durchaus vorkommend sind Galaxien, die sich so nahe gekommen sind, dass sie miteinander interagieren. Das ist nach der allgemeinen Vorstellung, dass das Universum aus einem Urknall entstand und sich nun ungebremst ausdehnt, nicht unbedingt ganz nachvollziehbar.

Sollte die Expansion des Universums nicht dafür sorgen, dass die Galaxien auseinander treiben? In den 20'er Jahren des letzten Jahrhunderts entdeckte der Astronomen Edwin P. Hubble, dass Galaxien umso schneller vor uns flüchten, je weiter sie von uns entfernt scheinen. Da nicht davon auszugehen war, dass unsere Milchstrasse eine Sonderrolle im Universum einnimmt, erklärte man die Galaxienflucht mit der Expansion des Universums. Wie konnten sich diese Ansammlungen von Galaxien der allgemeinen Expansion widersetzen und sich so zu Haufen zusammen finden? Was lässt Galaxien sogar miteinander verschmelzen? Die Antwort ist nicht schwer: Es ist die Gravitation. Die Gravitation ist eine anziehende Kraft, die Massen zusammenhält. Sie hat eine unendliche Reichweite, nimmt aber quadratisch zur Entfernung ab. Allerdings steigt sie proportional mit den beteiligten Massen. In den jungen Jahren des Universums, also die ersten Millionen Jahre, bildeten sich schon aus den Masseverdichtungen die ersten Galaxien. Die Kraft der Gravitation konnte sich gegen die Expansion in kleinen Raumbereichen behaupten und die Galaxienhaufen zusammenhalten, wobei die kleinen Raumbereiche durchaus mehrere Hundertmillionen Lichtjahre durchmessen können.

Die Galaxien innerhalb dieser Galaxienhaufen bewegen sich mit großen Eigengeschwindigkeiten umeinander fast wie Mücken in einem Mückenschwarm. Die Anziehungskraft der Gravitation verhindert, dass die Galaxien ins Leere entfliehen. Andersherum verhindern die Eigengeschwindigkeiten einen gravitativen Kollaps. Zumindest meist. Denn hin und wieder kommt es vor, dass zwei Welteninseln aufeinander zutreiben. Ist es zunächst eine zufällige Annäherung, übernimmt irgendwann die Gravitation die treibende Rolle und die Bahn der Galaxien wird maßgeblich durch die Gravitation beeinflusst. Irgendwann gelangen die Galaxien so nah aneinander, dass die massereichere Galaxie auf das Gas oder auch Sterne der Partnergalaxie eine größere Anziehungskraft ausübt, als die Galaxie auf sich selbst, insbesondere auf Sterne und Gas, das der Galaxie zugewandt ist. So kommt es zu einer Materiebrücke zwischen den Galaxien, die vorwiegend das Gas aus der massearmen Galaxie herauszieht. Das Gas ist mobiler als die Sterne. Die Gezeitenkräfte können eine kleine Galaxie förmlich zerreißen oder zumindest stark deformieren. Die Gezeitenkraft ist ein Effekt der Gravitationskraft, bei dem die der Masse zugewandten Seite stärker angezogen wird, als die der Masse abgewandten Seite. Wir kennen das von den Meeresgezeiten. Der Flutberg entsteht auf der Mondzugewandten Seite, weil der Mond das Wasser auf dieser Seite stärker anzieht, als auf der abgewandten Seite. Die Gezeitenkräfte können so stark sein, dass Körper unter ihrem Einfluss zerreißen können. Das Schicksal der kleineren Galaxie ist in den meisten Fällen schon besiegelt. Nach einem Tanz umeinander, der durchaus über eine Milliarde Jahre lang andauern kann, verschmelzen die beiden Galaxien miteinander. Man könnte bei Galaxien, deren Masseunterschied sehr groß ist, behaupten, die massereiche Galaxie frisst die Masseärmere.

Dieser Vorgang bringt einiges an Unruhe in die Galaxie, wie man sich vorstellen kann. Das frische Gas und die neuen Masseverhältnisse in der verschmolzenen Galaxie führen oftmals zu einer intensiven Sternentstehung - astronomisch als Starbursts bezeichnet. Nach einer Weile, wir reden von mehreren Hundertmillionen Jahren, hat sich die Galaxie dann wieder beruhigt. Die Rotation der Galaxie hat dafür gesorgt, dass die vereinnahmte Galaxie "eingerührt" worden ist. Das "neue" Gebilde ist dann womöglich eine der riesigen elliptischen Galaxien.

Man nimmt an, dass die elliptischen Galaxien, die größer und massereicher sind als Spiralgalaxien, durch Verschmelzung von Spiralgalaxien untereinander oder durch Aufnahme kleinerer Zwerggalaxien entstanden sind.

Unsere Milchstraße, eine typische Spiralgalaxie, könnte in ferner Zukunft einige Zwerggalaxien vereinnahmen. Die Magellanschen Wolken, zwei Begleitgalaxien der Milchstraße, werden irgendwann mit der Milchstraße verschmelzen. Eine Galaxienkollision im großen Stil könnte dann in etwa einer Milliarde Jahre stattfinden. Der 2,6 Millionen Lichtjahre entfernte Andromedanebel, eine Spiralgalaxie mit über 200 Millionen Sonnenmassen, treibt zielstrebig auf uns zu. Der Verschmelzungsprozess ist eine komplexe Angelegenheit und ein Kräftespiel von Eigengeschwindigkeit und Gravitationskraft. Am Ende wird wahrscheinlich eine neue elliptische Galaxie unser Zuhause sein. Vorausgesetzt der eintretende Starburst macht uns nicht den Garaus. Aktive Sternentstehung führt nämlich zu starker UV-Strahlung, die nicht nur unsere Haut bräunen würde - sie würde das Sonnensystem vermutlich desinfizieren. Das sollte uns aber jetzt noch keine Sorgen bereiten.

Unsere Nachbargalaxie der Andromedanebel M31 / M32
Unsere Nachbargalaxie der Andromedanebel M31 / M32, Günther Strauch

Möchte man aber das Unheil kommen sehen, so bieten sich mondlose Herbstnächte an. Dann kann man die Andromedagalaxie unter dunklem Landhimmel bereits mit dem bloßen Auge sehen. Im Frühjahr findet man viele Beispiele für Galaxien, die sich einander nähern oder bereits verschmolzen sind oder zumindest durch die Gravitationskraft sehr verformt wurden. Eine lockere Galaxiengruppe sind zum Beispiel die Messierobjekte M65 und M66 im Sternbild Löwe. Ganz in der Nähe befindet sich noch eine dritte Galaxie, NGC 3628. Während M65 und M66 noch intakte Spiralgalaxien sind, zeigen sich bei NGC 3628 schon erste Anormalitäten.

Wesentlich deformierter ist die Galaxie NGC 4438 im Virgohaufen. Dieser schwache Nebel zeigt auf Photographien schon starke Abweichungen von der Spiralform. Offensichtlich übt die Galaxie NGC 4435 einen starken Einfluss auf diese Galaxie aus. Visuell ist die Galaxie M51, auch Whirlpool-Galaxie genannt, der Klassiker einer verschmelzenden Spiralgalaxie. In direkter Nachbarschaft kann man bereits in kleineren Teleskopen die Galaxie NGC 5195 wahrnehmen. Dieses Pärchen scheint jedenfalls schon stark ineinander verstrickt zu sein.

Ein besonders erwähnenswertes Beispiel wechselwirkender Galaxien sind NGC 4676A/B. Ihr äußeres Erscheinungsbild erinnert stark an zwei Mäuse, weswegen sie auch den Spitznamen "the mice" bekommen haben. Diese beiden Galaxien sind in größeren Teleskopen im Sternbild Haar der Berenice zu finden. Ihre Helligkeit liegt bei etwa 14 bis 15 Mag.

Heringsgalaxie NGC 4631 mit NGC 4656 und NGC 4657
Heringsgalaxie NGC 4631 mit NGC 4656 und NGC 4657, ED 80/600, 180 Minuten, LRGB-Aufnahme mit der Atik 16HR, 8. März 2008, Christian Overhaus

Leichter zu erkennen sind die beiden Galaxien NGC 4656 und NGC 4657. Dieses Pärchen erinnert ein wenig an einen Haken. Glücklicherweise befindet sich NGC 4631, die Heringsgalaxie, ganz in der Nähe. Diese Galaxien findet man im Sternbild der Jagdhunde. Zum Aufsuchen der Galaxien benötigt man gute Sternkarten und wohl etwas Geduld. In der Regel gelingt das Erkennen besser, wenn man sich die Objekte bereits auf Bildern eingeprägt hat. Hierzu gibt es wirklich genug Bildmaterial im Internet. Ich wünsche Viel Erfolg bei der Suche.

Clear Skies,
Christian Overhaus

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