Beobachtungstipp im Oktober 2010 Sterne sind keine Einzelgänger. Allein der Blick zum Himmel mit einem Feldstecher offenbart dem Beobachter, dass viele Sterne in Gruppierungen zusammen stehen. Oftmals natürlich ohne räumliche Bindung und nur zufällig vom Beobachtungspunkt aus betrachtet. Doch hin und wieder findet man Sterngruppierungen, die physikalisch aneinander gebunden sind und als Sternhaufen bezeichnet werden. Grundsätzlich unterscheiden die Astronomen Kugelsternhaufen von Offenen Sternhaufen. Diese beiden grundsätzlichen Unterscheidungen begründen sich in erster Linie der äußeren Erscheinung. Es gibt aber auch physikalische Unterschiede, die die Erscheinungsform erklären lassen. Während die Kugelsternhaufen im so genannten Halo, einer imaginären Kugel um die Galaxis, zu finden sind und zu den ältesten Objekten des Universums gezählt werden, gelten Offene Sternhaufen als sehr jung und sind sozusagen die Nachfolger aktiver Sternentstehungsgebiete. Bekanntester offener Sternhaufen sind die Plejaden im Sternbild Stier, dessen helle Sterne seit über 100 Mio. Jahren leuchten. Kosmologisch betrachtet ist dies eine kurze Zeitspanne. Doch unter den offenen Sternhaufen gibt es richtige Oldies. Der Sternhaufen Messier 67 im Sternbild Krebs ist so alt wie das Sonnensystem. Sehr alt mit 6,5 Milliarden Jahren ist auch NGC 188 im Sternbild Cepheus. Lange zählte er als ältester Sternhaufen. Heute gilt Collinder 261 im Sternbild Fliege als ältester Sternhaufen mit etwa 10 Mrd. Jahren. Die alten offenen Sternhaufen sind in der Regel sehr kompakte Sternhaufen, die auch sehr sternreich sind. Die Vermutung liegt nahe, dass sie ein Zwischending zwischen offenem Sternhaufen und Kugelsternhaufen sind. In der Tat sind offene Sternhaufen sehr fragile Objekte. In der Regel treibt das Spiel der Gravitation und Eigengeschwindigkeiten den Haufen mit der Zeit auseinander, so dass sich die Haufen langsam auflösen. Sternreiche Haufen, die durch die Gravitation aneinanderhaften, schaffen es offenbar, sich über längere Zeit zu binden.
NGC 188 besitzt ca. 5.000 Sterne und gehört damit zu den sternreichen Haufen der Galaxis. Obwohl er zu den interessanten Objekten gehört, scheint er unverständlicherweise nicht unbedingt auf der Liste der regelmäßig beobachteten Sternhaufen zu stehen. Seine Position im Sternbild Cepheus macht ihn in unseren Breiten nicht nur zum zirkumpolaren Objekt. Er ist mit einer Deklination von 85° auch sehr hoch, fast schon polnahe am Himmel zu finden. Trotzdem ist er unter mäßig dunklen Himmel kein leichtes Objekt. Die Gesamthelligkeit wird mit 8 Mag angegeben. Die hellsten Sterne zeigen sich mit einer Helligkeit von 12 Magnituden. Der Sternhaufen ist mit 6.500 Lichtjahren auch sehr weit entfernt. Eine Frage wäre noch zu klären. Wie bestimmt man eigentlich das Alter von Sternhaufen? Dazu muss man sich die Entwicklung von Einzelsternen anschauen. In der Regel verläuft die Entwicklung von Sternen umso schneller, je größer ihre Masse ist. Massereiche Sterne leuchten heller und verbrauchen ihren Brennstoff schneller. Deshalb ist ihnen eine lange Lebenszeit vergönnt. Für Sterne gilt "drive fast, die young". Astronomen analysieren die Zusammensetzung von Sternhaufen und klassifizieren die Sterne. Trägt man die Sterne eines Sternhaufens in ein Hertzsprung-Russeldiagramm (HRD) ein, welches die Leuchtkraft und die Farbe der Sterne gegeneinander aufträgt, sieht man, dass in der Regel eine Häufung von Hauptreihensternen zu finden ist. Hauptreihensterne sind die "Ottonormalverbraucher" der Sterne, die in einem Gleichgewicht ihren Wasserstoff zu Helium umsetzen. Massereichere Sterne zügiger als massearme. Unsere Sonne ist übrigens auch so ein "Ottonormalverbraucher" unter den Sternen. Irgendwann verlassen diese Sterne die Hauptreihe, wenn sie das Schalenbrennen beginnen. Sie wandern dann im HRD nach rechts und gehen ihrem Endstadium entgegen. Man beobachtet im HRD einen typischen Knick, da wo die Sterne die Hauptreihe verlassen. Da die Sterne von links nach rechts abbrennen, sozusagen, wandert der Knick die Hauptreihe von oben nach unten, weil ja die massereichen, hellen Sterne ihren Brennstoff früher verbrannt haben als die massearmen.
Der Knick ist ein direktes Maß für das Alter des Sternhaufens. Da Sterne eines Sternhaufens zur gleichen Zeit entstanden sind und somit gleich alt sind, ist ihre Entwicklung nur vom Fortschreiten des Wasserstoffbrennens abhängig. Ein Stern mit 10 Sonnenmassen erreicht den Punkt schon nach ca. 10 Mio. Jahren. Findet man keinen Hauptreihenstern mehr, der mehr als 10 Sonnenmassen besitzt, kann man davon ausgehen, dass der Sternhaufen älter als 10 Mio. Jahre ist. Bei NGC 188 kann man den Abknickpunkt bei ca. 15 Mag und einem Farbindex von 0,9 erkennen. Man sieht also, dass die meisten Sterne jenseits der Spektralklasse K abgebrannt sind und die Hauptreihe verlassen haben. F-Sterne sind gar nicht mehr zu finden. Das HRD ist also ein universell-nützliches Werkzeug, um vielerlei Eigenschaften von Sternen zu erkennen. Und gerade die Erforschung von Sternhaufen bringt wertvolle Forschungsergebnisse, weil man davon ausgehen kann, dass die Sterne etwa gleich alt sind. Da NGC 188 ja sehr polnah ist, ist er das ganze Jahr über zu beobachten. In Amateurteleskopen erscheint er als nebeliger Haufen, der dutzende kleine Sterne enthält. Er ist trotz seiner optimalen Position nicht das leichteste Objekt. Ich wünsche viel Erfolg bei der Suche und der Beobachtung. Clear Skies, |
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