Beobachtungstipp im Mai 2012 Geschichte der Venusdurchgänge vor der Sonne Der sehr seltene Vorübergang der Venus vor der Sonne wurde in Vergangenheit erst fünf Mal beobachtet. Jedenfalls gibt es keine schriftlichen Belege für die Beobachtung von Venusdurchgängen vor 1639, der ersten bekannten Sichtung eines Venustransits. Johannes Kepler sagte zwar für den 6. Dezember 1631 einen Venusdurchgang voraus, der aber nicht beobachtet wurde. Vermutlich unterband der 30-Jährige Krieg die Arbeit der Astronomen. Es mag überraschen, dass ein seltenes Ereignis, das nur alle 121 Jahre bzw. 105 Jahre im Doppelpack (von 8 Jahren) stattfindet, eine so wichtige Bedeutung für die Erkundung des Sonnensystems hat. Der erste Beobachter, Jeremiah Horrocks aus dem nordenglischen Ort Much Hoole nahe Liverpool, sah den Durchgang der Venus am 4. Dezember 1639. Horrocks war der Geistliche des Ortes, nebenbei sehr an der Astronomie interessiert und zudem ein guter Mathematiker. Für einen Geistlichen vielleicht etwas ungewöhnlich, beschäftigte sich Horrocks mit den Gesetzen Keplers und studierte die Rudolphinischen Tafeln, mit deren Hilfe man die Positionen der Planeten am Himmel berechnen konnte. Im Oktober 1639 erkannte Horrocks bereits, dass es im Dezember zu einem Venustransit kommen sollte.
Das englische Wetter war dem jungen Forscher am 4. Dezember wohl gesonnen und der damals zwanzigjährige konnte die Schwarze Venus vor der Sonne aus seiner Wohnung heraus beobachten. Seine Beobachtung musste er übrigens wegen eines dringenden Geschäftes unterbrechen, vermutlich die sonntägliche Messe, die er als Ortsgeistlicher abzuhalten hatte.
Dieser Durchgang der Venus war eine glänzende Bestätigung für die Richtigkeit der Kepler'schen Planetengesetze. Jeremiah Horrocks, dessen Beobachtungen und Berechnungen sogar den großen Wissenschaftler Isaac Newton inspirierten, wäre wohl ein namenhafter Naturforscher geworden, wenn ihn der Tod nicht viel zu früh, ein Jahr danach, ereilt hätte. Sein Freund William Cabtree, der nur wenige Kilometer im nördlichen Manchester lebte, konnte den Durchgang der Venus mit seinem Fernrohr ebenfalls beobachten, allerdings störten Wolken die Beobachtung. Horrocks und Cabtree waren zu dieser Zeit die einzigen und auch die ersten, die einen Durchgang der Venus beobachteten. Der nächste Venusdurchgang im Jahre 1761 sollte mehr Aufmerksamkeit erregen. Ausschlaggebend für das große Interesse war die Idee von Edmond Halley, den Durchgang der Venus für die Bestimmung der Sonnenparallaxe zu nutzen. Mittels einer Parallaxe können Astronomen mit einfachen trigonomischen Mitteln die Entfernung von Himmelskörpern bestimmen. Selbst heute werden Sterne in der Nachbarschaft mittels einer Parallaxe vermessen.
Die direkte Bestimmung der Sonnenparallaxe ist nicht möglich, da die Sonne sämtliche Bezugspunkte am Himmel überstrahlt. Halley, dessen Name durch die Vorhersage der Wiederkunft seines Kometen für alle Zeit verewigt wurde, schlug eine Möglichkeit vor, die Parallaxe der Sonne indirekt zu bestimmen. Ein Durchgang des Planeten Merkur brachte ihn wohl auf die Idee. Mit der Bestimmung der Sonnenparallaxe hätte man gleich den Abstand Sonne-Erde bestimmt, der ein wichtiges Maß für die Anwendung der Kepler'schen Gesetze ist. Der Abstand der Erde zur Sonne wird als Astronomische Einheit bezeichnet. Die Astronomische Einheit und das Erdenjahr sind die Grundgrößen zur Berechnung der Planetenbahnen. Das dritte Kepler'sche Gesetz besagt, daß die Quadrate der Umlaufzeiten den Kuben des mittleren Sonnenabstandes entsprechen. Dieses Verhältnis bezieht sich auf das Erdenjahr und die Astronomische Einheit als Grundgröße. Nun ist es für die Astronomen von großem Interesse, die Astronomische Einheit in eine irdische Einheit, sei es Kilometer, Meile, Elle, zu überführen, um eine Vorstellung von den Größenverhältnissen im Kosmos zu gewinnen. Halley schlug ein Verfahren vor, um mit Hilfe eines Venusdurchganges diese wichtige Größe zu ermitteln. Sein Schicksal war es, dass er beide Entdeckungen, weder die Wiederkehr seines Kometen noch den Durchgang der Venus, erleben durfte. Seine Arbeit war eine dennoch wichtige Hilfe für die nachfolgenden Astronomen. Der nächste Venusdurchgang war jedenfalls nicht so wenig beachtet, wie der Durchgang von 1639, der anscheinend nur von zwei Briten beobachtet wurde.
Das Prinzip zur Ermittlung der Sonnenparallaxe und damit der Astronomischen Einheit nach Halley ist leicht erklärt. Durch die Beobachtung der Venus kannte man den Abstand der Venus von der Sonne in Astronomischen Einheiten. Während eines Venusdurchgangs befindet sich die Venus genau zwischen Sonne und Erde. Man wusste, dass der Abstand Venus - Sonne 0,72 Astronomischen Einheiten entsprach. Daraus ergaben sich auch die Abstände Venus - Erde mit 0,28 Astronomischen Einheiten und Erde - Sonne mit einer Astronomischen Einheit. Beobachtet man den Transit der Venus vor der Sonne von zwei verschiedenen Punkten der Erde, so scheint die Venus wegen der Parallaxenverschiebung die Sonne an verschiedenen Stellen zu durchlaufen. Diese Parallaxenverschiebung ist messbar. Weiß man nun, wie weit die Beobachtungsposten voneinander entfernt sind, so kann man die Werte direkt ins Verhältnis setzen. Angenommen zwei Beobachter könnten den vollen Durchmesser der Erde für die Messung in Anspruch nehmen. Der Erddurchmesser beträgt 12.756km, so würden die Astronomen eine parallaktische Verschiebung der Venus auf der Sonnenscheibe von 44 Bogensekunden feststellen. Die Werte werden einfach ins Verhältnis gesetzt. Am Ort der Sonne entsprechen diese 44 Bogensekunden einer Strecke von 12.756km geteilt durch 0,28 multipliziert mit 0,72 - also 32.800km. Daraus leiten wir ab, dass eine Strecke von 32.800km in einer Distanz von einer Astronomischen Einheit einem Winkel von 44 Bogensekunden entspricht. Um daraus die Astronomische Einheit zu berechnen, müssen wir die 32.800 km nur durch den Tangens von 44 Bogensekunden teilen. Als Ergebnis erhalten wir 153,86 Mio. Kilometer - den Abstand Sonne - Erde. Die Erde befindet sich zum Zeitpunkt der Beobachtung nahe dem Sonnenfernsten Punkt ihrer Bahn (Aphel). Die Astronomische Einheit ist entsprechend kleiner (ca. 149,6 Mio. km), da man vom mittleren Abstand ausgeht. Mit der Astronomischen Einheit kann man im umgekehrten Falle dann die Sonnenparallaxe ermitteln. Sie entspricht in etwa 8,78 Bogensekunden. Die Erde ist von der Sonne aus betrachtet gerade mal 18 Bogensekunden groß (die Sonnenparallaxe hat als Basis den Erdradius, nicht den Durchmesser).
So einfach das Prinzip zur Bestimmung der Sonnenparallaxe theoretisch auch sein mochte, so kompliziert war die praktische Ausführung. Die Probleme fingen schon damit an, dass es keine Uhren gab, die über einen Zeitraum von Monaten genau liefen. Zudem waren die Entfernungen zwischen den verschiedenen Beobachtungsplätzen nicht genau bekannt. Halley schlug deshalb vor, nur die Dauer des Durchgangs zu messen. Damit erhält man die Sehnenlänge, die direkt mit dem Winkelabstand der scheinbaren Bahn der Venus vom Sonnenäquator in Beziehung steht. Die Astronomen verfeinerten die Methode Halleys noch weiter. Nach der Methode von Joseph-Nicolas Delisle war es nur noch von Nöten, den Ein- oder Austritt der Venus zu beobachten.
Mit diesem theoretischen Rüstzeug zogen im Jahr 1761 insgesamt sieben englische und französische Expeditionen in die Welt. Der siebenjährige Krieg war voll im Gange und behinderte die Arbeit der Astronomen sehr, da viele von ihnen auf Kriegsschiffen mitreisten und die Kampfhandlungen den Reiseverlauf störten. Die sieben Expeditionen waren leider nicht nur von Erfolgen gekrönt. So spielte das Wetter zumeist unzureichend mit oder die Astronomen kamen nicht pünktlich am Beobachtungsort an. Besonders tragisch war die Reise des Astronomen Le Gentil, der besondere Strapazen bei seiner Reise nach Mauritius auf sich nahm. Er reiste mit einem Kriegsschiff, dass vom Kurs abkam und dann verspätet auf Mauritius landete. Le Gentil konnte den Venusdurchgang vom Deck des Schiffes zwar bei klarstem Himmel beobachten, ein Luxus, der nur wenigen Astronomen vergönnt war, kam aber dennoch nicht dazu Messungen vorzunehmen. Selbst bei ruhiger See, kann man nicht die nötige Genauigkeit erreichen. Verspätet kam Le Gentil auf Mauritius an und beschloss dort zu verbleiben, um den Venusdurchgang im Jahre 1769 beobachten zu können. Das Vorhaben scheiterte übrigens wetterbedingt, als sich eine dicke Wolke vor die Sonne schob. Zwei Wochen war der Astronom wie am Boden zerstört und trat seine Heimreise an. Zuhause angekommen stellte er fest, dass er bereits für Tot erklärt wurde und daß man sein Erbe bereits verteilt hatte. Die Geschichte nahm jedoch ein gutes Ende und Le Gentil heiratete eine reiche Witwe mit der er noch einige schöne Jahre an der Pariser Sternwarte verbrachte. Die anderen Astronomen, die den Venustransit erfolgreich beobachteten, hatten es mit unerwarteten Schwierigkeiten zu tun. Bei der Beobachtung des Ein- oder Austritts der Venus auf der Sonnenscheibe schien es, als würde die Venus am Rand der Sonne haften bleiben und sich langsam wie ein Tropfen vom Sonnenrand lösen. Dieses Tropfenphänomen vereitelte die genaue Eintrittszeitbestimmung. Eine bittere Erfahrung für die Astronomen. Dennoch gelang es, die Astronomische Einheit auf 125 bis 155 Mio. km festzulegen. Ein sehr unbefriedigendes Ergebnis.
Im Jahre 1769 löste der Venustransit eine wahre Völkerwanderung unter den Astronomen aus. Über 150 Beobachter in 77 Beobachtungsstationen fieberten dem Ereignis am 3. Juni 1769 entgegen, bestens vorbereitet durch internationale Zusammenarbeit. Prominetester Beobachter war der legendäre Weltumsegler James Cook. Er reiste um die halbe Welt um auf Tahiti den Durchgang der Venus zu verfolgen. Seine erfolgreiche Beobachtung war der Einstieg in die Naturforscherlaufbahn, die abrupt mit der Ermordung in der Kaleakala Bucht auf Hawaii zehn Jahre darauf endete. Die gelieferten Ergebnisse waren zwar wesentlich besser, als die der Vergangenheit. Dennoch konnte die Astronomische Einheit nur auf 148 bis 154 Mio. km eingegrenzt werden. Der Direktor der Berliner Sternwarte Franz Encke sichtete 1824 noch mal die Daten sämtlicher Expeditionen und errechnete die Astronomische Einheit auf einen Wert von 153,34 Mio. km. Dieses Maß galt für die nächsten fünfzig Jahre.
Die nächsten Venusdurchgänge im Jahre 1874 und 1882 wurden abermals von vielen europäischen und amerikanischen Astronomen genutzt, die weltweit ihre Stationen errichteten, um eine genaue Vermessung der so wichtigen Sonnenparallaxe zu erhalten. Mittlerweile hatte die Fotografie Einzug in die beobachtende Astronomie gehalten. Die Astronomen konnten sich zudem mit besseren Instrumenten und einer besseren Navigation bedienen, als ihre Vorgänger vor 105 Jahren. Das Ergebnis der Expeditionen aus dem Jahre 1874 belief sich auf 148,976 Mio. km . Dieser Wert lag aber immer noch 0,4% unter dem heutigen offiziellen Wert. Der Venustransit vom 6. Dezember 1882 sollte der Letzte sein, der eine Reisewelle unter den Astronomen auslöste. Unter dem Motto "Jetzt oder Nie" reisten verschiedene Expeditionen um die Welt, um den letzten Venustransit für 121 Jahre zu verfolgen. Der Amerikaner Simon Newcomb, Direktor des US Naval Observatory, gelang es, die Sonnenparallaxe auf 8,79 Bogensekunden zu ermitteln. Die Astronomische Einheit beliefe sich dann auf 149,595 Mio. km. Newcomb selber führte die amerikanische Expedition zum Kap der guten Hoffnung. Nach Sichtung der Daten anderer Astronomen errechnete der die Sonnenparallaxe. Spätere Beobachtungen am Kleinplaneten Eros bestätigteten Newcombs Berechnungen. Im Jahre 1941 wurde während der Erosopposition die von Newcomb ermittelte Sonnenparallaxe exakt bestätigt. Die folgenden Venustransite werden von den Wissenschaftlern wohl kaum beobachtet werden, obwohl das verfügbare Instrumentarium und die Verbreitung der Beobachtungsdaten via Internet durchaus eine erfolgreiche Beobachtung versprechen würden. Ambitionierte Amateurastronomen könnten vor Ort die Daten gewinnen und an eine übergeordnete Institution zur Auswertung weiterleiten. Allerdings würde die Astronomische Einheit kaum genauer bestimmt werden, als es heute mit anderer Technik möglich ist. Im Jahre 1990 wurde eine Radarmessung an der Venus vorgenommen und anhand der Lichtlaufzeit konnte man die Entfernungmetergenau bestimmen. Der genaueste und offizielle Wert der Astronomischen Einheit liegt bei 149,597870 Mio. km. Diese Zahl ist der erste Meilenstein im Universum, eine wichtige Marke für die Vermessung der Tiefen des Alls. Clear Skies, Johannes Kepler (1571-1630), deutscher Astronom und Mathematiker,
beschrieb die Gesetze der Planetenbahnen. Gilt als größter deutscher
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