Beobachtungstipp im Mai 2015 Der 21. April 2015 ist kein besonderer Tag, ein Dienstag im April. Ein Bahnstreik kündigt sich an, das Weltgeschehen mit den üblichen Krisen, der Rest ist "Business as usual". An jenem Abend beschließe ich das Zusammentreffen der noch jungen Mondsichel mit der Venus am Abendhimmel zu fotografieren. Aufnahmen dieser Konstellationen sind in der Regel eindrucksvoller wenn ein geeignetes Vordergrundmotiv zu sehen ist. Die Wahl fiel auf eine Stelle in Westenborken, die ich von Radtouren her kenne und die mir geeignet erschien. Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, dass dieser Abend am 21. April 2015 ein besonderes Rendevouz mit der Geschichte ist. Aber der Reihe nach. Bei Einbruch der Dunkelheit machte ich mich auf dem Weg nach Westenborken. Die Straße "Am Bookensteen" kreuzt im Westen den Wirtschaftsweg "Loo". An der Kreuzung findet man einen dicken Findling unter zwei Linden. Diese beiden Linden sind eine schöne Landmarke und Vordergrundmotiv für himmlische Ereignisse, die im Westen stattfinden. Eine leichte Anhöhe sorgt für einen guten Überblick. Die Ortsnamen und die geografische Lage sind schon etwas Besonderes. Der Bookensteen, zu Hochdeutsch Buchenstein, gibt Hinweis auf eine alte Ortsmarke. Der Loo, nicht zu verwechseln mit dem englischen "Loo", was so viel wie Toilette bedeutet, gibt Hinweis auf einen Wald oder Busch, der dort stand. Der Buchenstein liegt unter Linden. Die Linde ist der deutsche Baum schlechthin. Für die Germanen waren Linden oftmals Orte von Versammlungen oder Gerichtsorte. Unter Linden wurden viele Entscheidungen getroffen. Somit war der Bookensteen in früher Vergangenheit ebenfalls ein Versammlungsort an dem Entscheidungen getroffen worden sind oder vielleicht Urteile gesprochen wurden.
Seit der Stadtgründung Borkens im Jahr 1226 sind einige Jahre vergangen. Die ersten urkundlichen Erwähnungen findet man um 800 n. Chr. Doch findet man im Westen Borkens steinzeitliche Funde, die auf eine frühe Besiedlung der Gegend um Borken schließen lassen. Bereits vor 5.000 Jahren lebten Menschen hier und waren sesshaft. Vermutlich lebten sie von der Landwirtschaft und der Jagd und die Anpassung an die klimatischen Verhältnisse des Wohnorts war von existenzieller Notwendigkeit. Die Landwirtschaft ist an bestimmte Termine der Saat und der Ernte gebunden, wenn sie erfolgreich ausgeführt werden soll. Die kalten Winter in unseren Breiten konnte man nur überstehen, wenn man rechtzeitig Vorräte anlegte. Somit war den frühen Menschen unserer Heimat die Beobachtung der Natur und auch des Sternenhimmels sehr wichtig. Das Leben ohne Zeitmesser und feste Kalender kann für siedelnde Menschen zu schweren Nöten führen. Deshalb gab es bereits vor über 5.000 Jahren frühe Kalender, die auf die Beobachtung der Gestirne zurück gingen. Observatorien wie Stonehenge oder Goseck, zu der die Himmelsscheibe von Nebra zu zuordnen ist, sind Denkmäler dieser Zeit, in denen die ersten Kalender entwickelt und verfeinert wurden. Die Menschen der Steinzeit orientierten sich offenbar am Lauf des Mondes und nutzen den Mond als Zeitmarke ihrer Welt. Im Mittelmeerraum war es mehr der Sonnenlauf, der die Rhythmen des Lebens bestimmte. In Ägypten war zum Beispiel das Erscheinen des Stern Sirius am Morgenhimmel ein wichtiger Termin. Zuvor waren Sonne und Sirius gemeinsam am Taghimmel. Die Nutzung des Himmels erforderte in beiden Fällen Wissen über den Rhythmus von Sonnen- und Mondlauf. Der Mond umläuft die Erde in etwa 29,5 Tagen von Vollmond zu Vollmond oder von Neumond zu Neumond. Die scheinbare Wanderung vor dem Sternenhintergrund dauert aber nur 27,5 Tage. Somit wandert der Ort des Vollmonds innerhalb eines Jahres. Die frühen Astronomen der Steinzeit bemerkten, dass der Mond innerhalb eines Jahres 12x seinen Phasenzyklus durchlaufen kann. Allerdings nicht genau, da 12x 29,5 nur 354 Tage ergibt. Die Erde benötigt für den Umlauf um die Sonne aber 365,25 Tage, das sind gute 11 Tage mehr. Nach drei Jahren wäre bei der Mondrechnung ein ganzer Monat verloren und nach 18 Jahren hätten sich die Jahreszeiten umgekehrt. Die Menschen der Steinzeit beobachteten ihren Kalender sehr genau und korrigierten den Fehler, genau wie wir es heute ebenfalls tun, mit Schaltzeiten. Unser sonnenbasierter Kalender erfordert alle 4 Jahre das Einfügen eines Schalttages. Alle Hundert Jahre fällt der Schalttag aus und alle 400 Jahre findet er doch statt. Das Jahr 2000 war deswegen ein besonderes Jahr - ein Schaltjahr. Es ist ein Jahr, daß der 400-Jahre-Schaltregel entspricht. Zuvor war es das Jahr 1600, das nächste Jahr, für welches die gleiche Schaltregel gilt, ist das Jahr 2400. Die Steinzeitmenschen, die ihren Kalender für die erfolgreiche Landwirtschaft nutzten, benötigten nicht die genaue Auflösung des Kalenders in Tage oder Stunden. Das hatte den Vorteil, dass man seinen Terminkalender nicht so eng packen konnte. Es war eben noch nicht sinnvoll. So reichte es den Menschen damals aus, alle 3 Jahre einen ganzen Schaltmonat einzuführen. Die Einführung eines Schaltmonats war nicht fest an Zeiten gebunden. Die Himmelsbeobachter, man könnte sie auch als frühe Astronomen bezeichnen, beobachteten den Lauf des Mondes und entschieden anhand der Mondphasen, ob ein Schaltmonat erforderlich war oder nicht. Ein besonderer Zeitpunkt war die Passage des jungen Mondes der Sternhaufen der Plejaden und der Hyaden. Die Ekliptik, also die scheinbare Bahn der Sonne, des Mondes und der Planeten am Himmel, durchläuft die beiden markanten Sternhaufen. Man nennt es auch das Goldene Tor der Ekliptik. Vor 5.000 Jahren lag der Frühlingspunkt im Goldenen Tor der Ekliptik. Sonne und Neumond trafen sich also dort zu Frühlingsbeginn, der Tagundnachtgleiche. Einen Monat darauf konnte man bereits die junge Mondsichel nahe des Goldenen Tors der Ekliptik sehen. Die Astronomen beobachteten die Mondsichel bei den Plejaden sehr genau. Nach 12 Mondumläufen sollte die Neumondsichel wieder bei den Plejaden stehen. Wegen der Differenz des Mondkalenders und des Sonnenkalenders kommt es zu einer Abweichung. Nach 12 Mondumläufen begutachteten die Astronomen die Dicke der Mondsichel. Wenn diese größer war als 4,5 Tage nach Neumond, so wurde ein Schaltmonat eingeführt. Der Kalender war kein fester Kalender, sondern ein Kalender auf Sicht. Die Himmelsscheibe von Nebra ist im Übrigen ein schönes Dokument dieser Vorgehensweise. Unsere Zeitrechnung wurde viele Jahre später durch einen Sonnenkalender abgelöst. Der gregorianische Kalender orientiert sich mehr am Umlauf der Erde um die Sonne als am Mond und entspricht trotz seines Alters von über 430 Jahren den Anforderungen unseres Industriezeitalters. Dort oben auf dem Hügel in Westenborken sitzend und den Monduntergang im Abendzwielicht zu beobachten lässt das hektische Treiben unseres Alltages etwas vergessen. Man kann sich in die Zeit zurückversetzen lassen, als die Menschen an diesen Thingorten zusammenkamen und im Angesicht des Himmels wichtige Entscheidungen trafen, die das Überleben mit der Natur erlaubten. Der Blick zur Seite zeigt den Verlauf einer Bundesstraße mit abendlichen Verkehr, ein Stückchen weiter dreht ein Windrad um den Bürgern der Neuzeit ein unbeschwertes Leben im Wohlstand zu gewährleisten. Etwas vergessen vom Rest der Welt wandelt der Mond durch das Goldene Tor der Ekliptik ohne Dankbarkeit zu erwarten von den Bewohnern, die Dank seiner Zuverlässigkeit zu dem geworden sind, die sie nun sind. Übrigens, am 21. April 2015 hätte man vermutlich beschlossen, einen Schaltmonat einzuführen. Man muss natürlich berücksichtigen, dass der Frühlingspunkt in den letzten 5.000 Jahren in das Sternbild der Fische gewandert ist. Die Menschen der Steinzeit haben die Präzession der Erdachse anscheinend noch nicht gekannt. Sternfreundliche Grüße, |
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