Beobachtungstipp im Juli 2015 Obwohl die Musik die kulturelle Entwicklung der Menschen sehr beeinflusst hat und auch frühe Kulturen den schönen Klängen zugeneigt waren, hat es nur ein Musikinstrument an den Sternenhimmel gebracht. Würde man einen unbeleckten Bürger befragen, welches Instrument unbedingt als Sternbild an den Himmel gehören würde, käme er bestimmt nicht auf die Leier. Obwohl Kreuzworträtsellöser oft vor die Frage "Heller Stern in der Leier mit 4 Buchstaben" gestellt werden. Die Leier also, jenes antike Zupfinstrument, gelang der Sprung an den Himmel. Der Grund liegt, wie bei den alten Sternbildern immer, in der mythologischen Bedeutung dieses Musikinstruments. Kein anderer als Hermes, der Götterbote, hat es erfunden. Hermes Halbbruder Apollon schenkte es dem Superstar der Antike, Orpheus, der von nun an mit seiner Musik nicht nur die Frauen verzauberte.
In alten Sternkarten wird die Leier oft gemeinsam mit einem Adler dargestellt. Der hellste Stern, die Wega, leitet ihren Namen aus dem Arabischen ab "al nasr alwaqi" - niederstoßender Adler. Das Sternbild Adler, mit Atair als Hauptstern, zeigt einen Adler mit aufgespannten Flügeln. Die arabischen Quellen sehen in der Leier mit dem Stern Wega einen Adler mit anliegenden Flügeln, der sich auf die Beute stürzt. Wega und Atair bilden übrigens gemeinsam mit dem Stern Deneb im Schwan das "Sommerdreieck". Die drei Sternbilder sollen auch an die stymphalischen Vögel erinnern, die Schrecken verbreiteten. Das Sternbild Leier selbst ist ein kleines, einprägsames Sternbild, daß einer Raute ähnelt, die unter dem hellen Stern Wega zu finden ist. Wega gehört zu den hellsten Sternen am Himmel mit einer Magnitude von 0,03 Mag. Sein bläuliches Licht funkelt uns aus 25 Lichtjahren Distanz zu und zeigt uns die charakteristischen Eigenschaften eines A 0V-Sterns. Das blaue Licht verrät die Oberflächentemperatur von über 8000K. Wega ist ein bläulicher Hauptreihenstern, der die doppelte Sonnenmasse besitzt und die Sonnenleuchtkraft um das 37-fache übertrifft. Die Wega gehört übrigens zu den zirkumpolaren Sternen. Das bedeutet, daß sie in unseren Breiten nicht untergeht, weil der Abstand zum Himmelspol zu gering ist. Vor 12.000 Jahren war die Wega sogar Polarstern. Die Kreiselbewegung der Erdachse, die der Präzessionsachse folgt, sorgt dafür, dass die Wega alle 25.800 Jahre die Position des Polarsterns einnimmt, zumindest fast. Polaris befindet sich ungefähr ein halbes Grad vom Himmelspol entfernt. Die Wega wird sich den Himmelspol in 12.000 Jahren auf 4 Grad annähern. Also genug Zeit, um die Polsucherfernrohre unserer parallaktischen Montierungen anzupassen. In der Nacht vom 16. auf den 17. Juli 1850 wurde die Wega übrigens als erster Stern überhaupt fotografiert. Am Havard-Observatorium wurde eine 100 Sekunden-Belichtung mittels der Neuheit der Daguerreographie durchgeführt. Sozusagen der Einstieg in die Astrofotografie. Die Leier hat aber noch mehr zu bieten, als die Wega. Der Stern Beta Lyra ist ein interessanter Doppelstern. Die beiden Sterne stehen sehr dicht zusammen und können nicht mit optischen Mitteln getrennt werden. Der Doppelsterncharakter macht sich durch Helligkeitsschwankungen bemerkbar. Beta Lyra ist ein Bedeckungsveränderlicher Doppelstern. Seine Helligkeit schwankt zwischen 3,4 Mag und 4,6 Mag innerhalb von 12,9 Tagen. Der Astronom John Goodricke bemerkte im Jahr 1784 den Lichtwechsel. Die beiden Sterne stehen übrigens so dicht zusammen, daß sie sich gegenseitig zu Ellipsen verformen und ein Massentransfer stattfindet. Ein weiterer interessanter Stern ist RR Lyra, der Namenspatron einer Klasse von veränderlichen Sternen. RR Lyra-Sterne sind Pulsationsveränderliche Sterne, die oftmals in Kugelsternhaufen gefunden werden. RR Lyra-Sterne sind sehr alte Sterne. Im Fall von RR Lyra variiert die Helligkeit um fast eine Größenklasse (7,1 - 8 Mag) innerhalb eines halben Tages! Ein bekanntes Doppelsternpaar ist Epsilon Lyra. Kaum ein Einsteiger in astronomische Beobachtungen wird um dieses Sternpaar herumkommen. Die beiden Hauptsterne Epsilon Lyra 1 und Epsilon Lyra 2 trennen 3,5 Bogenminuten und sind somit ohne optische Hilfe trennbar. Im Teleskop ab etwa 50-facher Vergrößerung, offenbaren die beiden Sterne jeweils einen weiteren Begleiter. Der vermeintliche Doppelstern entpuppt sich als Vierfachstern. Allerdings sind die Begleiter nur 2,8 bzw 2,6 Bogensekunden von einander entfernt. Die saubere Trennung der beiden Sterne erfordert bereits gutes Seeing (Luftruhe). Das nördliche Sternpaar besitzt Helligkeiten von 4,99 und 6,0 Mag und umkreist einander in 1.165 Jahren. Die südlichen Komponenten (5,3 / 5,2 Mag) umlaufen sich in etwa 585 Jahren. Das Doppeldoppelsternpaar wurde im Jahr 1779 von W. Herschel entdeckt, der sie als bemerkenswertes Doppelsternsystem bezeichnete. Zuvor war das Licht, welches seinen Teleskopspiegel traf etwa 160 Jahre durch den interstellaren Raum unterwegs. Einige Monate zuvor, im Januar 1779, entdeckte der Franzose Antoine de Darquier das wohl populärste Objekt im Sternbild Leier. Er beschrieb seine Erscheinung als erlöschenden Planeten und prägte den Begriff des "Planetarischen Nebels" für die Objekte dieser Klasse. Gemeint ist natürlich Messier 57, der Ringnebel in der Leier. Messier beobachete den Planetarischen Nebel ebenfalls als im Januar des Jahres 1779 der Komet Bode an ihm vorbei wanderte. Den Beobachtern war lange Zeit nicht bewusst, um was es sich bei diesen Objekten wirklich handelt. Die Herkunft Planetarischer Nebel ist aber heute weitesgehend geklärt. Es handelt sich um vorläufige Reste ausgebrannter Sterne, die nicht mehr als 2-3 Sonnenmassen haben. In ihrer letzten Entwicklungsphase stoßen diese Sterne in einem Superwind die äußeren Gasschichten ab. Später, wenn die Kernreaktionen im Stern zum Erliegen kommen, fällt der Sternenrest zu einem Weißen Zwerg zusammen. Diese immer noch äußerst heißen Objekte regen die umgebenen Gasschalen zum Leuchten an. Die weitere Expansion der Gasschale und die nachlassende Strahlung, lassen einen solchen Planetarischen Nebel nach wenigen Tausend Jahren erblassen, so daß er unsichtbar wird. Messier 57 ist nach aktuellen Werten etwa 2.300 Lichtjahre entfernt und hat einen Ringdurchmesser von 0,9 Lichtjahren. Auf lang belichteten Aufnahmen kann man ein äußeres Halo erkennen, dessen Durchmesser 2,5 Lichtjahre beträgt. Die Ausdehnungsgeschwindigkeit liegt bei sagenhaften 50 km/s. Man kann daraus ein Alter von 6.000 Jahren ermitteln, zuzüglich der 2.300 Jahre, die das Licht zu uns benötigte. Der zentrale Stern ist ein weißer Zwerg mit einer Oberflächentemperatur von 110.000K. Im Teleskop ist er schwer sichtbar, auf Photoaufnahmen dagegen bildet er sich leicht ab. Der Ringnebel ist ein Objekt, welches in jedem Teleskop nördlich des Äquators mal eingestellt gewesen sein sollte. Das Aufsuchen zwischen Gamma und Beta Lyra gelingt bereits Anfängern. Messier 56, auf halbem Weg zwischen Albireo im Schwan und Gamma Lyra, wurde von Charles Messier im März 1779 als "Nebel ohne Sterne" beschrieben. Seine große Distanz von 270.000 Lichtjahren macht es auch schwer, den Kugelsternhaufen in einzelne Sterne aufzulösen. Nur größere Amateurteleskope schaffen das; die hellsten Sterne liegen bei rund 13 Mag. Etwas subtiler ist der offene Sternhaufen Stephenson 1. Um den farbigen Doppelstern Delta Lyra versammeln sich im Umkreis von 15 Bogenminuten etwa 30 schwächerer Sterne. Dieser Haufen ist ca. 1.300 Lichtjahre von uns entfernt und gehört, wie auch die Plejaden, zu den jüngeren Sternhaufen unserer Galaxis. Mit den Plejaden verbindet der Sternhaufen auch die gleiche Bewegungscharakteristik beim Durchwandern der Milchstraße. Stephenson 1 wurde erst in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts entdeckt und geht auch leicht vor dem hellen Vordergrundsternen Delta Lyra unter. In amateurastronomischen Kreisen ein Geheimtipp. Zu guter Letzt bietet das Sternbild Leier einen Meteorstrom, die Lyriden. Die Lyriden sind seit der Antike bekannt und fanden ihre erste Erwähnung im Jahr 687 vor Chr. in chinesischen Schriften. Der Mutterkomet C/1861 G1 (Thatcher) besucht uns alle 415 Jahre und liefert frisches Sternschnuppenmaterial. Die ZHR liegt bei 18 Meteore und erreicht sein Maximum um den 22. April. Die Lyriden können durchaus mit einem Aktivitätsausbruch überraschen und bis zu 90 Meteore pro Stunde zeigen, wie zuletzt im Jahr 1982. Man erinnert sich. Als Resümee kann man feststellen, daß die Leier zwar ein kleines Sternbild ist, aber doch einiges zu bieten hat. Fotografen können sich noch an den Planetarischen Nebel NGC 6765 in der Nähe des Kugelsternhaufens M56 versuchen. Ebenfalls gibt es noch einige schwache Galaxien, die man innerhalb der Leier findet und eine Zahl an veränderlichen Sternen. Letzteres ist nicht verwunderlich beim Sternreichtum in der Nähe des Milchstraßenbandes. Sternfreundliche Grüße, |
Besucher: 187.963 | Letztes Update: 01.08.2015