Beobachtungstipp im Juni 2016 Am 11. Februar 2016 ging die Meldung des Nachweises von Gravitationswellen durch die Presse. Die Entdeckung ist eine Sensation und öffnet die erste Tür für ein neues Beobachtungsfenster: Gravitationswellenastronomie. Es ist natürlich nur ein erster Schritt und die Entdeckung dieser Wellen gute 100 Jahre nach der Postulierung durch Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie eine glänzende Bestätigung dergleichen. Die Astronomen hatten sehr schnell eine Ahnung, dass die Gravitationswellen existieren und die Theorie sagte auch viel über die Eigenschaften der Wellen aus. Dennoch sollte es 100 Jahre dauern, bis die gezielte Suche möglich war. Es wurden einige Anstrengungen unternommen, den Gravitationswellen auf die Spur zu kommen. In den 50'er Jahren versuchte eine Gruppe um den Physiker Joseph Weber in Maryland/USA mit massiven Körpern, die schwingungsfrei aufgehängt wurden, Effekte zu messen. Die Empfindlichkeit dieser Gerätschaften wurde in den 60'er Jahren noch einmal verbessert, ohne jedoch die gewünschten Messungen vornehmen zu können. Im Jahr 1974 gelang es zum ersten Mal indirekt Gravitationswellen nachzuweisen. Die Astronomen Russell Hulse und Joseph Taylor von der Princeton University untersuchten den Doppelpulsar PSR 1913+16. Die mehrjährige Untersuchung wies eine Bahnänderung der beiden Komponenten nach, die durch die Abstrahlung von Gravitationswellen zu erklären waren. Dafür gab es später einen Nobelpreis. Im Jahr 2014 untersuchten Forscher Muster in der kosmischen Hintergrundstrahlung, die auf Gravitationswellen zurückzuführen waren. Die verfrühte Verkündung von Ergebnissen musste später wieder zurückgenommen werden. Die vermeintlichen Fingerabdrücke im polarisierten Licht des Kosmischen Hintergrunds entpuppten sich später als kosmischer Staub. - Einen anderen Weg beschritten die Physiker mit der Messung von Gravitationswellen mittels Laserinterferometer, aber vielleicht sollten wir vorher klären, was eine Gravitationswelle eigentlich ist: Wellen kennen wir in verschiedensten Formen wie bspw. als Lichtwellen, Schallwellen, Wasserwellen, "La-Ola"-Wellen, Donauwellen etc. Gravitationswellen funktionieren auf ähnliche Weise. Man kann sich ein ruhiges Gewässer vorstellen in das man einen Stein wirft. Von der Einschlagstelle breiten sich ringförmig Wellen aus, die mit der Entfernung immer größer und schwächer werden. Gravitationswellen sind vergleichbare Wellen der Raumzeit, die durch Beschleunigung massiver Körper erzeugt werden. Bei einer Gravitationswelle schwappt die Raumzeit sozusagen. Die Gravitation ist die schwächste aller Naturkräfte. Die Effekte sind außerordentlich gering und die Messinstrumente müssen sehr empfindlich sein. Genauso wichtig, wie die Empfindlichkeit ist die Kompensation der Einflüsse externer und interner Quellen auf das Messergebnis. Die Rohdaten, die die Laserinterferometer messen sind beladen mit Störeinflüssen. Es ist vergleichbar mit einer Welle an der Ostküste Amerikas, die durch einen Kieselstein, der in die Nordsee geworfen wurde, erzeugt wird. Wir befinden uns messtechnisch absolut an der Grenze des Machbaren. Seit vielen Jahren werden Laserinterferometer betrieben und die Empfindlichkeit der Messungen verbessert. In Deutschland gibt es bei Hannover das GEO 600, ein Interferometer mit einer Länge von zwei Mal 600 Metern, in dem die Laufzeit zweier Laserstrahlen im Winkel von 90 Grad verschoben, gemessen wird. Die Erschütterung der Raumzeit durch Gravitationswellen würde die Laufzeit des Lichtes beeinflussen. Ein Interferometer kann das sehr genau messen. Allerdings gibt es Störeinflüsse, die das Signal der Gravitationswellen überlagern. Dies können Autos sein oder auch die Gezeiten. In Amerika baute man deswegen gleich zwei Detektoren: LIGO 1 und LIGO 2. Mit einer Länge von 4km sind sie empfindlicher als ihr deutsches Pendant und wegen der zwei Messstationen ist es leichter ein relevantes Signal zu messen. Die beiden Messstationen in den Staaten Washington und Louisiana sind 3.000km voneinander entfernt. Obwohl die Stationen bereits in den 90'er Jahren in Betrieb gingen, war die Empfindlichkeit der Interferometer erst im Jahr 2015 soweit gesteigert worden, dass Gravitationswellen direkt nachzuweisen waren. Das deutsche Interferometer GEO 600 ist an der Entwicklung der Gerätschaften beteiligt gewesen. Am 14. September 2015 war es dann soweit. LIGOs Gerätschaften wurden von einer Gravitationswelle durchgeschüttelt und der Nachweis gelang. Das gemessene Signal, eine seismische Welle der Raumzeit, entsprach den Modellvorstellungen der Forscher. Die gefundenen Daten sind atemberaubend in jeder Hinsicht. LIGO kann Längenschwankungen von 10m - 22m messen. Am 14. September 2015 änderte sich die Länge des 4km langen Interferometers um den wahnwitzigen Betrag eines 500stel Protonendurchmessers. Im Vergleich zur ganzen Milchstraße mit einem Durchmesser von 100.000 Lichtjahren läge die Längenschwankung bei weniger als einem Kilometer. Der Effekt ist unvorstellbar klein, sodass kein wirklich griffiger Maßstab gefunden werden kann. Die Dauer der größten Erschütterung waren nur 2/10tel Sekunden. Beide LIGOs haben die Messung durchführen können und lieferten fast gleiche Ergebnisse. Somit ist die Entdeckung ziemlich sicher und ein Irrtum fast ausgeschlossen. Die Astronomen konnten aufgrund von Simulationen und Berechnungen ein passendes Szenario aufzeigen, welches diese Gravitationswellen auslösten. Und die Zahlen, die ich hier nun präsentieren werde, sind gigantisch. Die Gravitationswelle durchzieht das Weltall seit 1,3 Milliarden Jahren. Ein sehr energiereiches Ereignis erschütterte die nahe Umgebung, dass sie derart ins Schwingen geraten konnte. Wenn den Berechnungen Glaube geschenkt werden darf, es war ja niemand vor Ort, so verschmolzen vor 1,3 Milliarden Jahren zwei Schwarze Löcher mit 29 bzw. 36 Sonnenmassen. Die beiden schwarzen Löcher näherten sich auf wenige Kilometer, ihre Geschwindigkeit war auf 60% der Lichtgeschwindigkeit herangewachsen, bis sie dann nach der letzten Umkreisung zu einem finalen Schwarzen Loch von 62 Sonnenmassen verschmolzen. Dabei wurden in den letzten 0,2 Sekunden 3 Sonnenmassen in Gravitationsenergie freigesetzt, die sich wellenartig seither in den Weltraum ausbreiten. Die Energiemenge ist gewaltig. Nach Einsteins E = m·c² wurden in den 0,2 Sekunden 5,4*10^47 Joule freigesetzt. Das ist die Leuchtkraft von 7*10^21 (7.000.000.000.000.000.000.000) Sonnen. Unvorstellbare Zahlen, die uns zeigen, wie extrem das Universum sein kann. Wenn man davon ausgeht, dass das bekannte Universum 100 Milliarden Sterne beinhaltet, so ist die Gravitationsleuchtkraft dieses Ereignisses für 0,2 Sekunden so energiereich, wie 70% aller Sterne des bekannten Universums. Das Verschmelzen von Schwarzen Löchern gehört zu dem extremsten Ereignissen des Universums. Die Gravitation ist eine sehr schwache Kraft, so dass selbst diese gigantische Energiemenge nur geringen Einfluss auf die Raumzeit hat. So gering, dass wir sie nur nahe der Nachweisgrenze beobachten können. In einigen Jahren wird es vermutlich einen Gravitationswellendetektor im Weltall geben. Das NGO (New Gravitational wave Observatorium) soll ab 2034 fernab von irdischen Störquellen die Erschütterungen der Raumzeit messen. Die Amateurastronomie kann nur staunend das Geschehen verfolgen. Die neue Richtung "Gravitationswellenastronomie" bleibt uns Amateuren wohl vorerst verschlossen. Sternfreundliche Grüße, |
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