Beobachtungstipp im Juli 2016

Sterne, wie Sand am Meer. Neulich wurde in einer dieser Dokumentationen, die zwischen Nachrichten und Verbrauchertipps bei einem bekannten Nachrichtensender, behauptet, es gäbe mehr Sterne im Universum als Sand an den Stränden dieser Welt. Wollen wir mal sehen, Sand wird ja häufig unterschätzt, dachte ich mir. Bereits im Filmklassiker "Local Hero" erlag der Protagonist des Films einer Fehleinschätzung in Sachen Sand und ihm entging das Geschäft seines Lebens. Die Hauptfigur des Filmes, ein gewisser McEntire, sollte als Vermittler für den Verkauf einer schottischen Meeresbucht zwischen einer texanischen Ölfirma und dem Besitzer, einem alten, vielleicht etwas verschrobenen Schotten, dessen Familie seit Generationen in dieser Bucht wohnt, fungieren. In der Bucht sollte ein Öl-Hafen entstehen, der im Hinterland eine neue Raffinerie versorgen sollte.

Der Besitzer war jedoch nicht willens, das Land einfach so abzugeben. Es ginge um eine Menge Geld. In einem Gespräch am Strand nahm der alte Mann eine Handvoll Sand auf und schlug vor, er gäbe sich mit einem Pfund pro Sandkorn zufrieden. Der Unterhändler zögerte und wollte Rücksprache mit der Firma nehmen. Der alte Mann zog das Angebot daraufhin zurück und sagte dem Vermittler, ihm sei das Geschäft des Lebens entgangen, weil niemand mehr als 20.000 Sandkörner in der Hand halten könnte. Ein schönes Beispiel für die Unsicherheiten, wenn man mit unbekannten Währungen zahlen muss.

Man kann solche Vergleiche gerne aufnehmen und an passender Stelle kundtun. Gerade der Vergleich von Sand mit Sternen wird ja gerne an der Sternwarte aufgegriffen. Überprüfen lässt es sich ja nicht. Weder gibt es belastbare Zahlen für die Menge an Sandkörnern an den Stränden, noch weiß man, wie viele Sterne es im Weltall überhaupt gibt.

Leichter zu klären ist die Frage, wie viele Sandkörner man in die Hand nehmen kann. Im Selbstversuch gelang es mir, ein kleines Bierglas mit einer Handvoll Sand zu füllen. Meine Hand hat das Fassungsvermögen von 0,2 Liter, immerhin. Nun stellt sich die Frage, wie viele Sandkörner das sind und ob ich ein gutes Geschäft gemacht hätte. Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Sand ist ein Konglomerat aus Körnern verschiedenster Größe.

Feine Sandkörner sind nur 0,05mm im Durchmesser groß, ganz grober Sand enthält Körner mit Durchmessern von 2mm und mehr. Irgendwann ist es dann allerdings Kies. Davon ausgehend, dass ich nur mittelgroße Sandkörner in der Hand hatte, die einen Durchmesser von 0,5mm besitzen, ist es nur eine kleine Rechnung. Das Volumen eines Sandkorns liegt dann bei 0,000065cm³. In einer Handvoll Sand habe ich damit etwa 3 Millionen Sandkörner in der Hand. Der alte Mann hätte ein besseres Geschäft gemacht, als er vermutet hätte.

Betrachten wir den Sand mal aus kosmischer Sicht und erinnern uns an die Aussage in der Dokumentation über die Zahl der Sterne im Weltall. Offene Sternhaufen sind lose Ansammlungen von einigen Tausend Sternen. Die Sternhaufen Hi und Chi Persei, besser als "Doppelsternhaufen im Sternbild Perseus" bekannt, enthalten zusammen etwa 16.000 Sterne.

In Sand umgerechnet ist das mal gerade 1 Kubikzentimeter. Viel mehr Sterne gibt es in den Kugelsternhaufen, die Galaxien umlaufen. Typischerweise finden dort über 500.000 Sterne ihre Heimat. Jeder Stern ein Sandkorn und wir füllen gerade mal ein drittel Weinglas. In einer Handvoll Sand hätten 6 Kugelsternhaufen Platz. Zumindest theoretisch. Ganz so dicht sind die Sterne in Kugelsternhaufen aber auch nicht gepackt.

Auch wenn der Eindruck im Teleskop einer unglaublichen Verdichtung von Sternen entsteht, sind die Sterne immer noch Lichtjahre vom Nachbarn entfernt. Im Maßstab der Sandkörner sind das immerhin noch über einen Kilometer. Man stelle sich also eine riesige Kugel vor in der 500.000 Sandkörner im Abstand von 1 km verteilt sind, eine riesige, schwebende Kugel mit einem Durchmesser von 60 Kilometern!

Eine Galaxie wie die Milchstraße enthält 200 Milliarden Galaxien. Dafür müsste man 67.000 Hände voller Sand zusammentragen. Dieser hätte in einem Würfel mit 2,4m Kantenlänge Platz und würde 35,8t auf die Waage bringen. Allmählich wird es unübersichtlich. Reden wir bei den Sternhaufen noch von 2 bis 3 Gramm oder im Falle des Kugelsternhaufens von 30g Sand, so müssen wir für die Milchstraße schon eine LKW-Ladung Sand zusammentragen. Das ganze Universum in Sand wird unermesslich und nicht mehr vorstellbar. Das können wir jetzt schon mal sagen... Denn Kosmologen gehen aktuell davon aus, daß das Universum 100 Milliarden Galaxien enthält.

Diese Zahl ist eine Berechnung bzw. Schätzung, wie alle genannten Zahlen hier. Wegen der großen Ungenauigkeiten kann man getrost großzügig mit gerundeten Werten arbeiten, man kann sich diese Zahlen dann ja auch besser merken. Vielleicht sind die 100 Milliarden Galaxien auch nicht das letzte Wort. Die Sichtweise auf das Universum hat sich in der Geschichte der Menschheit oft geändert. Noch vor 200 Jahren kannte man nur eine Galaxie. Unsere heute Vorstellung lässt eben Raum für 100 Milliarden Galaxien. Der Astrophysiker Edward R. Harrison unterscheidet in seinem Buch "Kosmologie" das Universum vom Weltall.

Das natürliche Weltall ist die Welt an sich, die sich dem Verständnis des Menschen entzieht. Die Kosmologie ist eine Art Maske, die dem Weltall aufgelegt wird, um es zu begreifen. Diese Masken haben ihr Aussehen ständig gewechselt. Es wäre verwegen zu sagen, dass ausgerechnet wir die richtige Maske verwenden. Bleiben wir aber trotzdem bei 100 Milliarden Galaxien in denen jeweils 200 Milliarden Sterne zu finden sind. Insgesamt ist die Zahl der Sterne im Universum damit zu befiffern auf 2 gefolgt von 22 Nullstellen. Nun sehen wir mit Spannung der Antwort auf die Frage entgegen, um wie viel Sand es sich handelt, möchte man 2·10²² Sandkörner zusammentragen. Und reicht diese Menge aus, um alle Strände dieser Welt mit Sand zu versorgen? Andernfalls wären viele Besucher der Sternwarte mit Falschinformationen behelligt worden.

Um den geforderten Sand aufzubewahren, benötigen wir etwas Platz... - ein Würfel mit einer Kantenlänge von knapp 11 Kilometern reicht aus. Doch kommen wir zu den Stränden dieser Welt. Die Küstenlinie der Erde ist 356.000km lang. Nicht jede Küste verfügt über Sandstrand. Aber gehen wir mal von 300.000km Sandstrand aus.

Angenommen der Sandstrand ist 200m breit und der Sand bis 10m Tiefe soll berücksichtigt werden. In diesem Falle verfügen wir über 600 Milliarden Kubikmeter Sand. Diese Menge passt in einen Würfel mit der Kantenlänge von 8,4 Kilometer. Insgesamt finden wir 9,2·10²¹ Sandkörner an den Stränden, also weniger als die Hälfte der Sterne im Universum.

Der gesamte Sand der Erde wird die Anzahl der Sterne bei weitem übertreffen. Die Erdkruste umfasst ein Volumen von 1,8·10^19 Kubikmeter. Hier passen 1,3 Millionen Mal mehr Sandkörner hinein als Sterne im Weltall zu finden sind. Es klingt unglaublich, dass Sand auf der Erde mittlerweile zur Mangelware geworden ist und dass es schon Sandkrisen in einigen Ländern gibt. Im Filmklassiker "Local Hero" fand die Geschichte um den Strand übrigens ein gutes Ende. Der Besitzer der Ölfirma, ein kauziger älterer Herr, der sehr der Astronomie zugetan war, besuchte den schottischen Ort und war fasziniert vom Sternenhimmel dort. Er verwarf den Gedanken, dort einen Öl-Hafen bauen zu wollen und dachte mehr über den Bau einer Sternwarte nach. So bleibt den Schotten jedenfalls an dieser Stelle der kostbare Strand erhalten...

Sternfreundliche Grüße,
Christian Overhaus

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