Beobachtungstipp im November 2016

Die spätherbstliche Milchstraße gehört mit den Sternbildern Perseus und Cassiopeia zu den interessantesten Gebieten des nördlichen Himmels. Das kann man eigentlich von jeder Himmelsregion behaupten. Jeder Teil des Himmels hat seinen Reiz. Die Beobachter von Offenen Sternhaufen kommen aber hier besonders auf ihre Kosten. Visuell im Teleskop oder Fernglas betrachtet, sind diese Objekte von großer Schönheit. Das sanfte Funkeln der unzähligen Lichtpunkte der Sternhaufen h und chi Persei kann auf Bildern gar nicht wiedergegeben werden. Ebenso geht es dem Sternhaufen um den es hier heute geht. Wir reden von NGC 457 im Sternbild Cassiopeia. Geläufig ist dieser Name nicht. Bekannter ist er unter der Bezeichnung Eulenhaufen, nicht zu verwechseln mit dem Eulennebel (Messier 97). Im englischen Sprachraum nutzt man auch gerne die amerikanische Bezeichnung, den ET-Cluster. Aber ob Außeririscher oder Eule, der Haufen ist eine Pracht. Nicht unbedingt die Zahl der Sterne macht ihn zu einem besonderen Objekt, da können Sternhaufen wie der oben genannte h und chi Persei oder die Sternhaufen im Fuhrmann (M36, M37, M38) mit mehr Sternen punkten. Es sind eher die hellen Sterne, die in ihrer Formation an eine Eule oder eben an den Filmhelden "ET" erinnern.

Man findet dort über 100 Sterne, die heller als 13 Mag sind. Zum Haufen selbst gehören aber wohl etwa nur 60 Sterne. Im sternreichen Feld der Milchstraße gibt es immer Vordergrundsterne oder Sterne die hinter dem Sternhaufen liegen. Mit 6,4 Mag ist der Eulenhaufen eher ein Feldstecherobjekt. Der hellste Stern phi Cassiopeia ist mit 5 Mag aber auch in unseren Breiten freisichtig. Gelegentlich wird er Sternhaufen auch phi-Cassiopeia-Haufen genannt, obwohl es gar nicht sicher ist, dass phi Cassiopeia ein Mitglied des Haufens ist.

Der Sternhaufen befindet sich in einer Entfernung von 9.000 Lichtjahren. Phi Cassiopeia wäre damit einer der hellsten Sterne, den wir kennen. Seine Leuchtkraft überträfe die Sonne um das 275.000-fache. Die absolute Helligkeit des Sterns liegt bei -8,8 Mag. Die Sonne hat eine absolute Helligkeit von 4,8 Mag. Am Ort von phi Cassiopeia würde sie einen Stern von 17,5 Mag darstellen. Die Absolute Helligkeit entspricht der Helligkeit eines Stern im Abstand von 10pc, also 32,6 Lichtjahren. Zusammen mit dem Stern HD 7902 bildet phi Cassiopeia das Augenpaar der Eule. Auch bei HD 7902 ist man sich nicht sicher, ob der Stern zum Eulenhaufen gehört.

Das hellste Mitglied des Haufen ist der rötliche Stern V466 Cas. Wie die Bezeichnung schon erahnen lässt, handelt es sich hierbei um einen veränderlichen Stern. Der Stern gehört der Spektralklasse M0 an und ist ein später roter Riesenstern, der seine Helligkeit von 9,8 bis 10,8 Mag in unregelmäßiger Periode verändert. Wir kennen ein ähnliches Verhalten von Beteigeuze im Orion. V466 Cas ist auch ein heller Stern, mit der Leuchtkraft von 10.000 Sonnen. Man muss sich so einen Stern einmal vorstellen. Der Stern würde in unserem Sonnensystem fast bis zur Saturnbahn reichen. Selbst im Abstand zum Pluto wäre die Erscheinung noch 20x so groß, wie die Sonne auf dem heimatlichen Planet. Der Eindruck wäre aber auch ein anderer. Der Stern hätte keine scharf begrenzte Photosphäre. Er würde vielmehr wie eine große diffuse rote Wolke leuchten. Solche Sterne haben eine Oberflächentemperatur von 2500-3000K. Die riesige Oberfläche, über die sie die Wärme abgeben macht sie zu den Leuchtgiganten. Es sind Sterne, die am Ende ihres Sterndaseins stehen. Ihr innerer Wasserstoffvorrat ist erschöpft und in den Schalen um den Kern des Sterns wird Helium zu höheren Elementen umgesetzt. Dieser Lebensabschnitt endet spektakulär mit einer Supernova. Der Stern wird für einige Wochen das hellste Objekt der Galaxis. Eine Riesenexplosion zerreißt den Stern förmlich. Übrig bleibt eine Neutronenkugel oder ein Schwarzes Loch, falls der Stern über 3 Sonnenmassen zurückbehalten kann. Umgeben ist er von einem bizarren Nebel aus schweren und leichten Elementen, die im nuklearen Feuer der Explosion gebacken wurden.

Zurück zum Gesamtgebilde. Der Sternhaufen NGC 457 ist noch relativ jung. Man geht davon aus, dass er vor 20 Mio. Jahren entstanden ist. Die erste Sichtung gelangt aber erst vor wenigen Jahren. Es war mal wieder Wilhelm Herrschel, der den Sternhaufen im Oktober 1787 entdeckte. Trotz des jungen Alters sind schon einige Sterne in ihrer Entwicklung sehr weit fortgeschritten, so wie V466 Cas.

Der Durchmesser des Haufens beträgt 30 Lichtjahre. Angesichts der Entfernung von 9.000 Lichtjahren ist die relative Ausdehnung am Himmel etwa 12 Bogenminuten groß. Er ist daher im Feldstecher sichtbar und im Teleskop bei mittlerer Vergrößerung von 70-90x sehr eindrucksvoll.

Der Anblick des Haufens aus nächster Nähe wird ebenfalls sehr eindrucksvoll sein. Die hellsten Mitglieder leuchten 50 bis 100x heller als die Sonne. Der Himmel eines Planeten im Sternhaufen wäre übersät von hellen Sternen. Ein wunderschöner Anblick. Leider aber nur für kurze Zeit. Diese Sternhaufen haben keine lange Lebensdauer, vielleicht einige 100 Millionen Jahre. Das ist zu kurz um astronomisch interessierte Lebewesen hervorzubringen. Die Erde benötigte, trotz idealer Lage und besten Voraussetzungen immerhin 4,5 Milliarden Jahre dazu.

Eulenhaufen NCG 457
Eulenhaufen NCG 457, Christian Overhaus

Ich zeige diesen Sternhaufen gerne in der Sternwarte einem größeren Publikum. Die zumeist unerfahrenen Besucher können oft mit Leichtigkeit die Form der Eule nachvollziehen. Der Mensch ist eben ein "Muster"-Tier und kann Gegenstände oder Lebewesen in abstrakten Formen erkennen. Und das ist ja sehr wichtig bei der Astronomie...

Sternfreundliche Grüße,
Christian Overhaus

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