Beobachtungstipp im August 2019 Der Lieblingsdoppelstern der Amateurastronomen, der im Sommer auf keiner sternkundigen Führung vergessen wird, ist Albireo im Sternbild Schwan. Albireo oder beta Cygni, markiert den Kopf des nach Süden fliegenden Vogels. Der Name leitet sich möglicherweise aus dem Altgriechischen ab und würde mit "Vögelchen" übersetzt. Passender wäre aber dann die arabische Variante, die man mit "Schnabel der Henne" übersetzen würde. Der Doppelstern ist mit 2,92 Mag sehr leicht sichtbar und kann bereits im 10x50 Feldstecher eindeutig als Doppelstern erkannt werden. Besser wird die Trennbarkeit im Teleskop mit mindestens 30-facher Vergrößerung. Albireo ist ein Paradebeispiel für ein Doppelsternsystem, dass aus Sternen mit großen farblichen Unterschied besteht. Die hellere Komponente ist gelblich-orange, der lichtschwächere Begleiter erstrahlt im bläulichen Licht. Beide Sterne trennt ein Abstand von 34 Bogensekunden. Das ist weniger als der scheinbare Durchmesser des Jupiters (ca. 40 Bogensekunden). Der große Farbkontrast ist den physikalischen Eigenschaften der Sterne zuzuschreiben. Der hellere Stern, ein roter Riesenstern (Spektralklasse K3), leuchtet 950x heller als die Sonne. Die Oberflächentemperatur ist dabei etwa 4500°C heiß. Der Begleitstern ist kleiner, ein B8-Stern mit einer Oberflächentemperatur von sagenhaften 12.000°C. Trotz der hohen Temperatur ist er "nur" 190x heller als die Sonne und ist somit ein typischer Hauptreihenstern. Der Literaturwert für die Distanz des Doppelsterns liegt bei 390 bis 430 Lichtjahre. Gute 75.000 Jahre benötigen die beiden Doppelsternkomponenten, um sich gegenseitig zu umkreisen. Allerdings entzog sich das bisher den Beobachtern und die Bahn der Sterne wurde nicht direkt nachgewiesen. Ja, so ist (oder war) der Stand der Dinge. An vielen Sternwarten wurde diese Geschichte erzählt und in vielen astronomischen Büchern ist es so nachzulesen. Aber möglicherweise ist es ganz anders. Es ist nicht der Skandal, der die Welt berühren wird, doch so mancher Astronom, der das schöne Sternenpaar kennt, hängt doch an der Geschichte des physikalischen Doppelsterns Albireo. Und es sah ja bis vor Kurzem auch ganz gut aus. Was ist also passiert? Die ESA schickte im Jahr 2013 den Astrometriesatellit GAIA in den Orbit. Dieser vermisst am Lagrangepunkt L2, 1,5 Mio. km von der Erde entfernt, etwa 2 Milliarden Sterne mit nie zuvor erreichter Genauigkeit. Eigengeschwindigkeit, kosmische Koordinaten, der Spektraltyp, Helligkeit usw, werden erfasst und in einer Datenbank der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wir haben also auch etwas davon und können GAIA-Daten nutzen. Am einfachsten ist das mit der ALADIN-Software, die Online auf viele astronomische Kataloge zugreifen kann. Der GAIA-Katalog umfasst ebenfalls Daten von Albireo, dem prominenten Doppelsternpaar. Und die Daten sind wenig erfreulich. Die Messung der jährlichen Parallaxe des schönsten Doppelsterns am Nordhimmel würde der Hauptkomponente auf den ersten Blick eine Entfernung von 330 Lichtjahren zusprechen. Der blaue Begleitstern ist danach etwa 390 Lichtjahre entfernt. Für einen Doppelstern wäre das eine enorme Fernbeziehung. Die Daten sprechen für einen visuellen Doppelstern, also zwei Sterne, die rein zufällig am Himmel nah beieinander stehen. Das alleine wäre schon ein Totschlagargument gegen den physikalischen Doppelsterncharakter. Allerdings muss man berücksichtigen, dass die beiden Sterne sehr hell sind und die Position wegen der Gefahr der Überbelichtung bei der Messung nicht hinreichend genau zu bestimmen sind.
Verloren haben die Albireofans aus diesem Grund noch nicht, auch wenn es auf den ersten Blick so ausschaut. Ein zweiter Schlag gegen die Doppelsternfans ist das Ergebnis der Bestimmung der Eigenbewegungen der Sterne. Gravitativ gebundene Sterne sollten eigentlich gemeinsam die Milchstraße umkreisen. Nun ist es aber so, dass die beiden Sterne mit relativ hoher Geschwindigkeit voreinander flüchten. Der rötliche Albireo A saust mit 17 Millibogensekunden pro Jahr nach Südosten. Der blaue Albireo B langsam nach Südwesten. Das klingt zunächst nicht gut für die Freunde von Doppelsternen, hoffnungslos ist es aber nicht. Die Angelegenheit ist komplizierter, weil man Albireo A, also den Roten Riesen, vor vielen Jahren als spektroskopischen Doppelstern identifizierte. Die helle Komponente umläuft dabei einen blauen Hauptreihenstern in einem Abstand von 40 Astronomischen Einheiten. Es gilt nun, ein Bahnmodell zu finden, dass die Bewegungen der drei Sterne mit den Messungen von GAIA in Einklang bringt. Und hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Bewegung des Sterns und die Unsicherheit der gemessenen Parallaxen und Eigengeschwindigkeiten lassen letztendlich noch Raum für ein physikalisches Doppelsternpaar Albireo A und B. Es ist also noch offen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit für die optische Nachbarschaft derzeit größer ist. Aber gerade weil es den Astronomen eine Herzensangelegenheit ist, das schöne Doppelsternsystem zu erhalten, geben sie die Hoffnung und den Glauben daran nicht auf. Weitere Daten vom GAIA-Satelliten werden dann wohl mehr Klarheit bringen, ob wir den Sternguckern an der Sternwarte weiterhin die Geschichte eines Sternenpaars erzählen dürfen oder ob wir nur von Sternen berichten dürfen, die eher entfernte Nachbarn sind und von uns aus gesehen in gleicher Himmelsgegend zu beobachten sind... Clear Skies, |
Besucher: 187.921 | Letztes Update: 18.08.2019