Beobachtungstipp im Mai 2020

Letzten Freitag lag die neue Ausgabe der Zeitschrift "Sterne und Weltraum" im Briefkasten. Der Aufmacher "in großen gelben Buchstaben angekündigt, war der 30-jährige Geburtstag des Weltraumteleskops Hubble. Das Hubble-Teleskop, gestartet im Jahr 1990, fasziniert mit seinen farbenprächtigen Aufnahmen nicht nur die Astronomen. Und es ist kaum übertrieben, dass das Auge im All uns bisher unergründlich tiefe Einblicke in das Universum ermöglicht hat. Leider sind es nur wenige Erdenbewohner, die den Schatz, der ihnen zugänglich gemacht wird, ermessen können. Das Hubble-Teleskop liefert nicht nur Daten und Bilder, sondern liefert ein Weltbild, eine Positionsbestimmung für den Menschen im Kosmos. Der Artikel über das Teleskop beschreibt kurz die Geschichte des Jubilars. Von der anfänglichen Pleite wegen eines falsch geschliffenen Spiegels bis hin zur erfolgreichen Reparatur und den damit verbundenen Erfolgen. Nachfolgend werden einige Bilder jüngeren Alters präsentiert, die es, so finde ich, in sich haben.

Eine Aufnahme zeigt den Galaxienhaufen MAC J0416.1-2403 im Sternbild Eridanus. Zu sehen ist eine große Ansammlung von Nebelchen, die in einer bläulichen Atmosphäre eingebettet sind. Um den zentralen Haufen herum findet man tausende von kleinen Spiralnebeln. Auch sieht man scheinbare Nebelfetzen in der Nähe des Haufens. Der Galaxienhaufen fungiert nämlich als Gravitationslinse und zeigt lichtverstärkend einen Galaxienhaufen weit hinter sich liegend. Diese exotischen Objekte waren bis in die 80'er Jahre nur theoretische Gebilde, die aus der Einstein'schen Relativitätstheorie folgten. Links unten ist ein rötlicher Stern zu sehen, das einzige Objekt, dass zu unserer Milchstraße gehört. Ein Stern von insgesamt 200 Milliarden. Dahinter sieht man dann die Tausende anderer Galaxien, die wiederum mehrere hundert Milliarden Sterne beheimaten. Viele dieser Sterne werden von Planeten umgeben sein. Die große Natur hat sich viele Möglichkeiten und Spielvarianten offen gelassen. Hier verliert die Erde schnell ihre Einzigartigkeit. Und der Mensch, der die Erde vermeintlich beherrscht, er wird nur eine von vielen Lebensformen sein, die das Universum bevölkern. Es ist einfach unwahrscheinlich, dass die Erde einzigartig ist. Kaum eine Aufnahme, als die des Hubble-Teleskops, kann diese Erkenntnis deutlicher zeigen.

Galaxienhaufen MAC J0416.1-2403
Galaxienhaufen MAC J0416.1-2403, Aufnahme HST (NASA, ESA and J. Lotz (STScI) and the HFF team)

In der Ausgabe von "Sterne und Weltraum" spielt das außerirdische Leben noch eine weitere Rolle. Untersuchungen von Astronomen kamen zur Erkenntnis, dass sonnenähnliche Sterne, also G-Sterne, vermutlich gar nicht die idealen Lebensspender sind. Bisher nahm man nämlich an, dass wir Erdlinge mit der Auswahl der Sonne richtiges Glück gehabt haben. Naja, haben wir ja auch. Das Leben auf der Erde prosperiert ja hervorragend. Dennoch sollen kleinere K-Sterne die idealeren Sonnen sein. Ihre Leuchtkraft ist nicht so intensiv, aber dafür ist ihre Lebensdauer um den Faktor 5 länger. Das bedeutet, dass sich das Leben sehr viel mehr Zeit nehmen kann.

Nicht so ideal sind die noch kleineren Roten Zwergsterne. Sie überdauern zwar noch um viele Milliarden Jahre die Lebenserwartung sonnenähnlicher Sterne. Doch müssten die Planeten sehr nahe an den Stern heranrücken, um genug Wärme für eine Biologie zu erhalten. Das hat zwei entscheidende Nachteile. Erstens wäre die Gezeitenwirkung viel stärker und die würde den Planeten in eine gebundene Rotation zwingen. Der Planet würde wahrscheinlich nur von einer Seite beschienen, was dann zu sehr unerfreulichen klimatischen Bedingungen führen würde. Zweitens überraschen Zwergsterne gerne mal mit starker Flare-Aktivität. Auf diese heftigen Ausbrüche wäre das junge Leben nicht vorbereitet und ein Superflare würde das Leben schon im Keim verbrennen. So gesehen ist das Leben im Universum doch ein Glücksfall. Aber das Leben hat viele Bälle im Spiel des Universums.

Wir können froh sein über unsere ruhige Sonne. In den 1950'er Jahren bemühten sich die Astronomen erstmals, die sogenannte Solarkonstante zu messen. Jener Leistung, die die Sonne jedem Quadratmeter Erde zukommen lässt. Das klingt einfacher als es ist. Die ersten Werte lagen bei 1365W/m2. Erst mit Satellitenmessungen ist es heute möglich, die Solarkonstante mit einer Genauigkeit von 0,01% zu bestimmen. Sie beträgt heute 1360W/m2. Die Aktivitätsschwankungen der Sonne zeigen eine Leuchtkraftvariation von 0,1% zwischen solarem Fleckenmaximum und Fleckenminimum. Der irdische Klima ist damit kaum zu beeinflussen. Populärwissenschaftliches Wissen besagt, dass die Leuchtkraft der Sonne in den nächsten Milliarden Jahren zunehmen wird und dass sich die Sonne zu einem Roten Riesen entwickelt. Das ist soweit auch richtig. Der Mensch muss also die Erde verlassen, wenn er langfristig überleben möchte. Allerdings ist es so, dass wir mit der heutigen Messtechnik erst nach 2 Millionen Jahren eine Veränderung der Leuchtkraft feststellen könnten, wenn sich die Sonne zum Roten Riesen entwickelt. Wir haben also noch viel Zeit, keine Eile. Es gibt wichtigeres zu tun.

Vielleicht die Vorbereitung auf folgendes Szenario: Eine kurze Rückblende in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Am 1. September 1859 beobachtete der Sonnenforscher Richard Christopher Carrington ein helles Aufblitzen innerhalb einer Sonnenfleckenregion ziemlich zentral auf der Sonnescheibe. Diesem intensiven Weißlichtflare folgte einige Stunden später ein gewaltiger Sonnensturm. Es wurde von Funken sprühenden Telegraphenmasten berichtet und von Telegraphenstationen, die Feuer fingen. Selbst im tiefen Süden waren Polarlichter zu sehen. Die Menschen sind sehr glimpflich davon gekommen. Das Leben auf der Erde kann diese Sonnenstürme schadlos überstehen. Ein solcher Sonnensturm ist wohl ein Jahrhundertereignis- und diese sind sehr gefährlich. Einerseits treten sie mit großer Wahrscheinlichkeit ein und wir haben sehr gute Aussichten, ein solches Ereignis zu erleben. Andererseits sind sie aber so selten, dass wir kaum Erfahrungen mit Sonnenstürmen dieser Art haben. Man kann sagen, wir sind völlig arglos. Ein Superflare, also eine uralte kosmische Kraft, die uns Menschen schon viele, viele Male heimgesucht hat, wird zur existenziellen Bedrohung unserer Gesellschaft. Vielleicht weil wir sie schlicht weg vergessen haben. Wir wissen um die Gefahr, aber wir fahren voll auf Risiko. Ein Sonnensturm gibt uns wenig Zeit. Wir können uns ein bis zwei Tage vorbereiten. In der Zeitschrift "Sterne und Weltraum" beschreibt der Autor die Situation wie folgt: Ein Kulturverlust größter Ordnung, alle Festplatten sind plötzlich leer, das Internet ist unterbrochen, die Bankguthaben sind verschwunden, Alexa hört nicht mehr, die digitale Identität-plötzlich verschwunden. Das Smarthome und das Smartcar, es ist nicht mehr zugänglich. Unsere digitale Gesellschaft bricht von einem zum anderen Moment zusammen. Klingt wie ein schlechter Roland Emmerich-Film, aber es ist wenig abwegig. Der letzte größere Sonnensturm im Jahr 1989 verursachte in Nordamerika und Kanada einen großflächigen Stromausfall. Dieser Sturm war viel kleiner als das Carrington-Ereignis im Jahr 1859. In der durchdigitalisierten Welt von heute, wäre das Ereignis von 1989 von großer Bedeutung. Die Jahre der Ruhe haben uns vermutlich übermütig werden lassen. Im Jahr 2011 sind wir knapp der Katastrophe entgangen. Am 7. Juni 2011 folgte auf einen Major Flare (M2) ein großer koronaler Massenauswurf, der zu einem extremen Sonnensturm geführt hätte. Die Teilchenwolke traf die Erde nicht. Fünf Tage zuvor wären wir mitten drin gewesen. Vielleicht sollte man einen Onlinehandel für Faradaysche Käfige eröffnen zur Rettung der privaten Daten.

Die Lektüre der Mai 2020-Ausgabe der "Sterne und Weltraum" zeigt, wie sehr wir Kinder des Kosmos sind und auch, dass wir gut beraten sind, uns unserer Stellung bewusst zu werden. Wir müssen den Kosmos, den Irdischen und Außerirdischen, viel besser kennenlernen, die Regeln, die uns die Natur auferlegt, beachten, um noch lange in diesem Spiel dabei sein zu können...

Clear Skies,
Christian Overhaus

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