Sternbedeckung durch den Kleinplaneten Roma

Hallo Sternfreunde,

nur einige Federwölkchen zeigten sich am Abend des 8. Juli 2010 über dem Westmünsterland, als ich mit einigen Kilogramm Astrogepäck an der Sternwarte in Hoxfeld ankam. Es war ein Donnerstagabend, ein öffentlicher Abend, an dem auch Besucher der Sternwarte in den Genuss der Sternbeobachtung kommen konnten. Kurz nachdem ich die ersten Kisten auf die Plattform der Sternwarte geschleppt habe, war auch Christa schon fleißig dabei, ihre Ausrüstung über die Wendeltreppe nach oben zu manövrieren. Doch bevor sie ihre Montierung aufstellte, musste die blutrote Sonne tief im Westen für einige Photos als Motiv herhalten. Es war noch weit über 20 °C an jenem schönen Sommerabend, als langsam die ersten Sterne erschienen. Tief im Westen stand die Venus, die von Günther, der inzwischen auch die Sternwarte erreicht hatte, anvisiert wurde. Ein Besucherpaar hatte sich zu ihm gesellt und ließ sich Venus, Saturn und den Doppelstern Albireo, die in der frühen Dämmerung zu sehen waren, zeigen.

Zu diesem Zeitpunkt kämpften Christa, Dieter und ich auf der Plattform noch mit der Technik. Die Motoren meiner Montierung versagten den Dienst und ließen sich nicht mehr zum Leben erwecken. Christas Montierung zeigte ebenfalls einen Motorfehler, der aber auf mangelnde Spannung der Stromversorgung zurückzuführen war. Jedenfalls konnte ich meine Montierung erstmal wieder zur Seite packen. Glücklicherweise gibt es ja noch die hauseigene Sternwartenmontierung, die mein kleines Teleskop tragen kann. Der weitere Aufbau verlief dann aber weitgehend ohne Komplikationen, so dass ich schon nach kurzer Zeit den Star des Abends einstellen konnte. Sein Name: Yed Prior, sein Beruf: Roter Riese.

Yed Prior gehört mit 2,7 Mag zu den hellen Sternen des Sternbild Schlangenträger. Im Okular eindeutig als rötlicher Stern zu erkennen, zeigt sich der Stern auf dem Monitor des Notebooks als weißer, wabernder Fleck, wenn man das Okular durch die TIS DMK-Kamera austauscht.

Es war schon etwa 23:00 Uhr an diesem Abend als alle Vorbereitungen getroffen waren. Die Kamera und das Teleskop waren auf Yed Prior gerichtet, die Systemzeit der PC-Uhr sollte idealerweise mit einer DCF-Funkuhr abgeglichen sein und der Himmel zeigte sich immer noch von der besten Seite. In der Sternwartenkuppel hatte Günther ebenfalls seine Kameraausrüstung in stiller Erwartung des großen Moments auf Yed Prior gerichtet. Meine beiden Nachbarn hatten den Stern visuell voll im Griff. So ging die Zeit dahin. Um 23:52 Uhr wurde es dann spannend, so dachte ich. Nachdem um 23:55 noch nichts geschehen war, sagte ich: "Das wars!". Sofort kam der Kommentar, dass das Ereignis doch erst um 23:57 Uhr stattfinden sollte. Entschuldigung - mein Fehler - kann in der Aufregung ja schon mal schnell passieren.

Und dann war es soweit. Die Uhr zeigte 23:57:00 Uhr und die Kamera wurde gestartet und nahm einen AVI-Stream auf. Plötzlich, erwartet unerwartet wurde das Licht des Sterns schwächer. Innerhalb ein, zwei Sekunden war dort, wo gerade noch der Rote Riese stand, nichts mehr. Es dauerte nur gute 4 Sekunden und das Licht des Sterns kam, wie es zuvor verschwand, zurück. Ein oder mehrere kleine Aufschreie klangen durch den dunklen Nachthimmel. Etwas Euphorie lag in der Luft bei allen Beteiligten und das nur, weil sich ein kleiner Stern mal für ein paar Sekunden hinter einem Kleinplaneten versteckte.

Für uns war die Erscheinung völlig überraschend. Wir hatten eigentlich eine schlagartige Bedeckung des Sterns erwartet, so wie wir es bei Sternbedeckungen durch den Mond gewohnt sind. Doch schien das Licht des Sterns regelrecht herunter gedimmt worden zu sein. Wie konnte das geschehen? Die Videoauswertung durch Günther und mir bestätigten die Beobachtung und uns war es möglich nach Auswertung der Videos doch relativ genau die Zeiten der Bedeckung zu ermitteln.

Was haben wir da eigentlich beobachtet? Für den 8. Juli 2010 wurde eine Sternbedeckung des Sterns Yed Prior durch den Kleinplaneten 472 Roma vorhergesagt. Die Finsternisschatten dieser Sternbedeckung sollte über Mitteleuropa liegen und unserere Sternwarte hatte man eine Beobachtungswahrscheinlichkeit von 35% prognostiziert. Bessere Bedingungen sollten die Beobachter des Ruhrgebiets haben, in Essen etwa. Wir aber hatten uns für die spannendere Variante entschieden, die auch weniger aufwändig war und sind an der Sternwarte geblieben. Etwa zur vorhergesagten Zeit zog der 50km große Himmelskörper über den Stern und verfinsterte ihn.

Die Fachgruppe der VdS die "IOTA-ES" hatte zur Beobachtung der Bedeckung aufgerufen, um anhand der Bedeckungszeiten und der Schattenlinie Aussagen über Bahn und Form des Kleinplaneten gewinnen zu können. Daher waren wir sehr motiviert, unsere Beobachtung möglichst genau zu dokumentieren, was anhand von Videoanalysen sehr gut möglich ist. Unsere Daten wurden später auch der IOTA-ES zur Verfügung gestellt. Auf die Auswertung darf man gespannt sein.

Eine Frage beschäftigte uns danach aber doch noch. Warum war die Erscheinung nicht schlagartig. Warum wurde das Licht langsam abgeschwächt? War ein Mond im Spiel? Oder gar eine Atmosphäre? Wohl eher nicht!

Ein Roter Riesenstern besitzt einen Durchmesser, der den der Sonne um das 100-fache überschreiten kann. Selbst in 170 Lichtjahren Distanz zeigt der Stern ein minimales Sternscheibchen von 0,018 Bogensekunden Durchmesser. Der Kleinplanet Roma zeigt in 300 Mio. Kilometern Distanz ein Scheibchen, welches 2x - 3x so groß sein könnte. Der Kleinplanet schiebt sich mit einer Geschwindigkeit von 0,006 Bogensekunden pro Sekunde vor den Stern. Für einen Stern mit einem Durchmesser von 100 Sonnendurchmessern könnte der Kleinplaneten 3 Sekunden für die vollständige Bedeckung benötigen. Der Stern wird wahrscheinlich kleiner sein, da die Verfinsterung vom ersten bis zum zweiten Kontakt, also bis zum vollständigen Verschwinden etwa 1,5 Sekunden benötigte. In Marl beobachtete ein Sternfreund offensichtlich eine partielle Sternfinsternis. Der Stern verschwand nicht komplett.

Um die Entfernungen mal auf irdische Verhältnisse zu modellieren, könnte man sich den Stern als eine Euromünze in 300km Entfernung vorstellen, die von einer Euromünze in 100km Entfernung verdeckt wird. Es ist schon erstaunlich, wie genau das Ereignis vorhergesagt wurde. Und dass man das Ereignis ohne Hilfsmittel mit dem bloßen Auge sehen konnte. Mittlerweile war es war schon weit nach Mitternacht, als wir nach dem Abbau der Gerätschaften die Sternwarte verließen. Über uns spannte sich die wunderschöne Sommermilchstrasse und tief im Osten zeigte sich bereits der Riesenplanet Jupiter, der seiner Opposition entgegenläuft. Es war schon ein bemerkenswerter Abend, an dem man die Möglichkeit hatte, für kurze Zeit im Schatten von Roma zu stehen.

Erst später erfuhren wir, dass Reimer Asmus in Rhedebrügge die Bedeckung ebenfalls verfolgte. Auch Werner Loock berichtete, allerdings von einer negativen Beobachtung in Bocholt. Gido Weselowski aus Bocholt bestätigte die Bedeckung interessanterweise. Die erste Auswertung der Ergebnisse ergab im übrigen, dass der Verlauf der Finsternis gute 50km nach Norden verschoben war. Die Beobachter in Essen, auf der vermeintlichen Zentrallinie, konnten keine Bedeckung des Sterns bestätigen. Höchstinteressant ist die Beobachtung des Marler Sternfreundes, der eine partielle Bedeckung beobachtete. Wie gesagt, auf die Ergebnisse der IOTA-ES darf man gespannt sein.

Clear Skies,
Christian Overhaus

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